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IGNORED

Waffenrecht in den USA mit und nach Trump


J.D.

Empfohlene Beiträge

vor 15 Stunden schrieb knight:

Wobei ein Filibuster an sich schon kein Instument ist, dass einem Parlament würdig ist. Das kann man auch mal unabhängig von außen ganz nüchtern so sehen.

 

Dann sollte man lieber gleich der Opposition ein Vetorecht geben. Darauf läuft das ja hinaus. Und dass das nicht im Sinne des Erfinders eines Parlamentes ist, ist auch klar.

 

So läuft das in der Praxis auch. Es gab einige berühmte Ausnahmen, wo der Opposition tatsächlich das Reden abverlangt wurde. Wenn sich einer mit einer Inkontinenzwindel für Erwachsene hinstellt und wirklich trotz trockenem Mund und mit Exkrementen in der Windel zum Thema dauerredet, um ein ihm widerwärtiges Gesetz zumindest zu verzögern, dann habe ich sogar einen gewissen Respekt davor. Meistens genügt aber die reine Erklärung, daß man einen Filibuster mache, ohne tatsächlich zu reden. Es ist halt so Tradition, vielleicht auch keine schlechte, auch wenn es natürlich ein wenig schizo ist, daß man zum Herbeiführen einer Abstimmung eine Supermajorität braucht, anstatt einfach eine Supermajorität für den eigentlichen Beschluß zu verlangen.

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Strategischer Betriebsunfall beim Bureau of Alcohol, Firearms, Tobacco and Explosives (BATFE/ATF) - ein "geleaktes" Whitepaper der als notorisch hoplophob verschrienen Behörde, die die Aufsicht über die Durchsetzung der diversen Bundeswaffengesetze drüben innehat, liest sich für die Szene in US of A wie ein kleiner Weihnachtswunschzettel. ATF schlägt vor, daß die Behörde ihr Gebaren in folgenden Punkten künftig neu ausrichtet:

 

  • Wiedereinführung der "Küchentheken-Waffenhandelslizenz" (kitchen counter FFL). Wer künftig auf gewerblicher Basis reine Online-Verkäufe durchführen oder nur als Hans-Dampf-auf-allen-Gunshows seinen Tisch eröffnen will, also keine Geschäftsräume i.S.d.W. unterhalten will/kann, soll das wieder tun können. Die Szene sabbert, daß man sich dann ja einfach eine solche Lizenz kaufen könnte und dann als Händler gem. 1968er Gun Control Act Waffen ab sofort direkt vom Hersteller ordern könne, anstatt wie ein gewöhnlicher Zivilist den Umweg über einen lizenzierten Händler als Drittpartei gehen könne. Abwarten, was die Kriterien für "klar erkennbare Gewinnerzielungsabsicht"
  • Widerruf der 2014 ergangenen Definition von "panzerbrechender" Munition. Z.B. ist die Patrone 5.45 x 39 mm derzeit als "panzerbrechend" gelistet und darf daher nicht an Zivilisten verkauft werden.
  • Aufhebung des unter Obama erlassenen Importverbots für Vintage-Armeewaffen aus Korea (viele M1 Garand und 1911er, die Südkorea ausrangiert hat, liegen in Lagerhallen auf der Halbinsel herum und warten auf Sammler und Schnäppchenjäger in den Staaten).
  • Wegfall der sog. law/demo letter-Bedingung für lizenzierte Waffenhändler: Will ein FFL ein Maschinengewehr vom Hersteller für sein Verkaufsinventar ordern, muß er vorher einen "Anforderungsbrief" einer Behörde (Polizei o.ä.) präsentieren, aus dem hervorgeht, daß diese von ihm eine Seriefeuerwaffe zu kaufen beabsichtigen. Ohne diese Hürde könnten die Händler also künftig wieder auf eigene Faust ein MG-Angebot ohne Einzelfallgenehmigung unterhalten.
  • Widerruf der Restriktionen für prothetische Unterarmklammern (konkret: SIG Brace), die, an, einer Pistole befestigt (ganz grob wie das Triarii-Kit von Hera Arms) selbige plötzlich zu der NFA-relevanten (Steuern! Registrierungszwang! Gebehmigungszwang! Bürokratie!) Kategorie sog. "kurzläufiger Gewehre" (short-barreled rifles oder kurz SBR) machen.
  • Eine Neudefinition dessen, was ATF künftig als "für sportliche Zwecke geeignet" verstehen soll. Zusammenhang: Nur diejenigen halbautomatischen Gewehre dürfen in die USA importiert werden, die ATF nach einer Inspektion in diesem Sinne als "geeignet" gelten läßt. Das bedeutet momentan: Gar nichts wird importiert. Mit einer Änderung könnten Amerikaner eventuell in den Genuß von Erzeugnissen aus den Häusern Oberland Arms, MKE, Norinco und Co. kommen.
  • ATF erstellt (ähnlich wie das BKA bei uns) des öfteren Gutachten oder gutachtenartige Schriftsätze, in denen Gegenstände v.a. in Bezug auf NFA-Relevanz eingestuft werden (Schalldämpfer, SBR, Maschinengewehr oder sonstige "Any Other Weapons (AOW)"). Der Kram ist dummerweise private Briefkorrespondenz zwischen dem Anfragesteller und der Behörde. Die findet man mit viel Glück im Internet, falls der Anfrager die erhaltene Antwort irgendwo in einem Forum oder Blog postet. Künftig sollen die Schriftsätze online in einer durchsuchbaren Datenbank abrufbar sein.
  • ATF empfiehlt, Schalldämpfer aus der NFA-Gesetzgebung (Genehmigungs- und Registrierungszwang, 200 US$ Steuer pro Stück, monatelange Wartezeiten) zu entfernen. Die Behörde kann da nichts selbst machen, das ist Aufgabe des Kongresses. Der Hearing Protection Act (siehe oben) ist derzeit im Ausschuß.
  • Auf Gun Shows sollen lizenzierte Händler aus anderen Bundesstaaten künftig ebenfalls direkt Schießeisen an die Kundschaft verkaufen dürfen. Bislang können "Ausländer" aus Oklahoma, die z.B. auf eine Messe nach Texas fahren, dort keine Verkaufsgeschäfte tätigen, sondern nur Bestellungen entgegennehmen und die Ware dann von ihrem Ladengeschäft in Oklahoma an einen lizenzierten Händler in Texas schicken, wo der Kunde sie dann entgegennehmen darf.
  • Der NFA-Begriff "zerstörerische Gerätschaften" (Destructive Devices) soll neu definiert werden. Mit der beabsichtigten Änderung soll nur noch das Abschußgerät (Mörser, GraPi), nicht jedoch mehr (wie momentan) jede einzelne zugehörige Granate, d.h. die Munition, als "DD" gelten.
  • Anhebung der "Graumarktgrenze": Waffenhändler, zu denen mehr als zehn Waffen zurückverfolgt wurden, die nachweislich in Verbrechen benutzt worden sind, werden unter verschärfte Behördenaufsicht gestellt. Wer in der falschen Gegend sein Geschäft betreibt, hat diese magische Grenze im Nu überschritten. Wie hoch die Zahl künftig ausfallen soll, ist nicht bekannt.
  • Die den Waffenhändlern auferlegten Sondermeldepflichten in Grenzstaaten bei Mehrfachkäufen sollen entfallen. Wer z.B. in New Mexico mehr als ein halbautomatisches Gewehr innerhalb einer bestimmten Zeitspanne kauft, muß derzeit ein spezielles Formular ausfüllen, in dem nähere Einzelheiten zu den Kaufabsichten erläutert werden müssen.
  • Reduzierung der 4473-Aufbewahrungsfristen: Wer bei einem lizenzierten Händler eine Knarre kauft, wird via NICS-background check überprüft (mehrere vernetzte Datenbanken beim FBI) und füllt zusätzlich ein Formular aus, in dem er Angaben zu seiner Person macht (Name, Wohnort Straftäter ja/nein, legale Aufenthaltsgenehmigung ja/nein, usw.). Der Händler muß jedes dieser Formulare mindestens zwanzig Jahre aufheben. Bei jedem einzelnen Kauf. Da kommt schnell so einiges zusammen. Wie lang es künftig sein soll, ist noch nicht heraus.
  • Die vorgeschriebenen NICS-Background Checks für angestellte Verkäufer in Waffenläden soll vom Eigentümer künftig selbst durchgeführt werden dürfen. Hintergrund: Kein Beschäftigte in einer FFL-Bude darf einem Waffenverbot unterliegen (verurteilte Straftäter, Verrückte). Unpraktisch dabei: Der Laden, der an die NICS-Datenbanken des FBI angeschlossen ist, darf diesen Check wohl bei jedem Kunden, aus verqueren Datenschutzgründen nicht aber für die eigenen Leute machen, sondern muß den Umweg über den örtlichen Sheriff gehen.
     

 

Der Haken? Die Motivation des, wie erwähnt, keinesfalls als waffenbesitzerfreundlich geltenden ATF ist unklar. Unsere in Jahrzehnten aus leidvoller Erfahrung paranoid gewordenen Waffenbrüder über'm großen Teich vermuten, daß es sich hierbei um ein frontrunning-Manöver der Behördenleitung handelt, die damit möglichen zukünftigen, auf dem Gesetzeswege im Kongreß verabschiedeten Erleichterungen (anders als Behördenanordnungen sehr schwer wieder umkehrbar!) den Wind aus den Segeln nehmen will. ("Es besteht kein Grund, dazu ein extra Gesetz zu beschließen, das haben wir doch schon auf dem Verordnungsweg möglich gemacht.")

 

Trumps Order, daß für jede neue Reglementierung zwei alte gestrichen werden müssen, könnte hier ebenfalls eine Rolle spielen. Dann hätte ATF sich im ungünstigsten Fall vierzehn aus seiner Sicht eher "verschmerzbare" Verluste vorsorglich paratgelegt und wirft den Waffenbesitzern dafür zukünftig sieben neue dicke Knüppel zwischen die Beine, die jetzt noch keiner erahnt.

 

Andere sind vorsichtig hoffnungsfroh, daß sich innerhalb der Behörde die besonneneren Naturen im neuen Trump-Klima etwas an die Oberfläche haben kämpfen können. Nicht alle Sachbearbeiter und Abteilungsleiter sollen auf anti gebürstet sein.

 

Link zur Quelle auf TTAG: Klick mich.

 

Anbei das Whitepaper im Originalwortlaut:

ATF_OptionsToReduceOrModifyFirearmsRegulations.pdf

Bearbeitet von Julius Corrino
Interpunktion.
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vor 18 Stunden schrieb Julius Corrino:

Die Motivation des, wie erwähnt, keinesfalls als waffenbesitzerfreundlich geltenden ATF ist unklar. Unsere in Jahrzehnten aus leidvoller Erfahrung paranoid gewordenen Waffenbrüder über'm großen Teich vermuten, daß es sich hierbei um ein frontrunning-Manöver der Behördenleitung handelt, die damit möglichen zukünftigen, auf dem Gesetzeswege im Kongreß verabschiedeten Erleichterungen (anders als Behördenanordnungen sehr schwer wieder umkehrbar!) den Wind aus den Segeln nehmen will. ("Es besteht kein Grund, dazu ein extra Gesetz zu beschließen, das haben wir doch schon auf dem Verordnungsweg möglich gemacht.")

 

Vielleicht ist die Behörde auch einfach nur pragmatisch (geworden)?

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vor 18 Stunden schrieb Julius Corrino:

Anbei das Whitepaper im Originalwortlaut:

 

Solche "Whitepapers" im LWB-Bereich, das wäre für Waffenbesitzer in der EU vergleichsweis ein feuchter Traum...

 

Unser EU-Kommissions-Whitepapier zum legalen Waffenbesitz (Malmström u.a.; ich meine, von 2012) sieht da anders aus... :bad:

Und das momentan so umstrittene EU Firearms Directive Amendment (91/477) ist nur ein erster Teil davon - da mache man sich keine Illusionen.

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  • 4 Wochen später...

Aufgemerkt, da ist möglicherweise gerade der nächste große Musterfall vor dem U.S. Supreme Court in der Mache.

 

Der Florida Supreme Court hat mit seinem gestern in Sachen Dale Norman v. State of Florida veröffentlichten Urteil das Verbot des offenen Führens von Feuerwaffen, das seit 1989 im Sunshine State herrscht, aufrechterhalten. Das Lizenzverfahren, bei dem erst Waffenscheine, die ausschließlich verdecktes Führen gestatten, beantragt werden müssen, bleibt damit weiter in Kraft.

 

Damit hat das oberste Gericht des Bundesstaates einen sog. Rule 10 Split erzeugt, bei dem ein Urteil eines höchsten Bundesstaatsgerichtes mit dem eines oder mehrerer Bundesberufungsgerichte im direkten Widerspruch steht. Kein anderer Bundesgerichtsbezirk hat bislang in einem Urteil festgehalten, daß das verdeckte Führen statthaft ist. Vielmehr das genaue Gegenteil.

 

Zusätzlich steht das Urteil in direktem Konflikt mit mehreren Urteilen des U.S. Supreme Court aus den vergangenen 150 Jahren, welche festgehalten haben, daß das offene Führen (nicht das verdeckte) vom zweiten Verfassungszusatz geschützt wird.

 

Dale Norman wurde im Februar 2012 in Fort Pierce unweit seines Hauses von der Polizei aufgegriffen, weil er seine .38er offen in einem Hüftholster trug und sein Hemd die Waffe nicht verdeckte. Das offene Führen gilt nach den Gesetzen Floridas als Ordnungswidrigkeit und kann mit 500 US$ Bußgeld und bis zu 60 Tagen Gefängnis bestraft werden.

 

Norman hat jetzt 90 Tage Zeit, um eine Eingabe beim Verfassungsgericht in D.C. zu machen bzw. um eine Verlängerung dieser 90-Tage-Frist zu bitten.

 

Sollte das geschehen, hat der Supreme Court nach seinen eigenen Regeln eigentlich keine andere Wahl, als den Fall anzunehmen. Daraufhin könnten zwei Dinge geschehen: Im einfachsten Fall wird das Urteil des Florida Supreme Court ohne mündliche Verhandlung per curiam aufgehoben und wieder an die niedere Instanz zurückverwiesen: "Macht das ganze nochmal." So verfuhren die derzeit acht Bundesverfassungsrichter unlängst auch im Fall Caetano (Verbot von Elektroschockern in Massachussetts widerspricht der Grundsatzentscheidung Heller). Die andere Möglichkeit wäre, daß der Fall auf das docket für eine ausführliche mündliche Verhandlung gesetzt wird, weil die dann vermutlich (d.h. mit Trumps Kandidaten Neil Gorsuch) neun Richter die Frage des offenen und verdeckten Führens grundsätzlich klären wollen.

 

Die "Szene" drüben hofft nun natürlich auf Nummer 2.

 

Sollte hier nichts geschehen, wird über kurz oder lang Nichols v. Brown aus Kalifornien die Grundsatzfragen rund um's öffentliche Führen (offen oder verdeckt, mit oder ohne Lizenz, überhaupt verbietbar oder nicht) vor SCOTUS bringen. Bis dahin können aber noch locker zwei oder drei Jahre ins Land gehen.

 

Ansonsten derzeit nix Neues aus Kongreß oder Weißem Haus zu Knallpeng.

Bearbeitet von Julius Corrino
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  • 3 Monate später...

Der Florida Supreme Court hat in Sachen Norman v. State am 13. April die Bitte um Wiederanhörung zurückgewiesen.

 

Damit ist der erste echte Split of Authority seit McDonald v. Chicago zwischen zwei oder mehr höchsten Berufungsinstanzen in einer Frage rund um den zweiten Verfassungszusatz fest zementiert.

 

Dale Norman (bzw. sein Anwalt) wird bis spätestens 12. Juli eine Petition for a Writ of Certiorari beim U.S. Supreme Court einreichen.

 

Damit besteht nun eine handfeste Aussicht auf endgültige Klärung der Frage, ob entweder offenes oder aber verdecktes Führen von geladenen Waffen außerhalb der eigenen vier Wände von der Verfassung geschützt wird (und per Implikation natürlich, inwieweit genau die Verfassung dieses Recht *überhaupt* schützt).

 

Der Fall ist sauber (d.h. Norman ist kein verurteilter Krimineller, und die Fragestellung ist - anders als in Peruta v. California - wasserdicht begründbar) und steht auf einem meterdicken Fundament historischer Präzedenzfälle. Die Chancen auf eine Aufnahme des Falls ins docket von SCOTUS und evtl. sogar eine mündliche Verhandlung stehen gut. Ab Herbst könnte es dann interessant werden.

 

An der Second Amendment-Front ist indes weder aus dem Weißen Haus noch dem Kongreß etwas zu hören. Verständlicherweise, denn es werden derzeit andere Theaterstücke aufgeführt. Angesichts der einstigen, bizarren "National Concealed Carry Reciprocity"-Agenda ist das vielleicht nicht einmal das Schlechteste.

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  • 2 Wochen später...

Die neue Orders List für diese Woche wurde vor knapp einer Stunde am U.S. Supreme Court verlesen. Ergebnis (wie zu erwarten): Peruta v. California ist nun mit etwas Verspätung endgültig tot, ein Writ of Certiorari wurde verweigert, die Entscheidung des en banc panel des Bundesberufungsgerichts für den 9. Kreis bleibt damit stehen (Tenor ca.: Die Verfassung kennt kein Recht auf verdecktes Führen von Waffen in der Öffentlichkeit).

Bemerkenswert: Justice C. Thomas veröffentlicht einen dissent zur Verweigerung der Fallannahme, dem sich Justice N. Gorsuch (ja, "der Neue") anschließt. Seine Kritik an den Richterkollegen bezieht sich hier hauptsächlich darauf, daß das Berufungsgericht für den 9. die erbetene Heilung des Rubrums (Fallenlassen des "besonders begründeten Bedürfnisses" für die Ausstellung eines Waffenscheins) ignoriert und damit in unzulässiger Weise die Fragestellung zu stark eingegrenzt habe, ferner stehende Präzedenz per Heller übergangen hätte; allein deshalb hätte man schon den Fall annehmen müssen. Weitergefaßt führt Thomas aus: Der 2. Verfassungszusatz sei durch die Praxis des Supreme Court, so gut wie niemals Fälle hierzu zu hören, zu einem "Recht zweiter Klasse" relegiert worden. 35 Verhandlungen über den 1. Zusatz (freie Rede) und 25 zum 4. (Verbot unverhältnismäßiger Hausdurchsuchungen) in den letzten zehn Jahren stünden gerade drei 2A-Fälle gegenüber.

 

Ebenfalls wurde in Sachen Sessions v. Binderup kein cert gewährt. In diesem Fall bat das US-Justizministerium um "Nachbesserung" durch SCOTUS: Per en banc-Urteil aus dem 3. Bundesgerichtsbezirk ist es nicht in Ordnung, Personen, die unter dem 1968er Gun Control Act ihrer Waffenrechte verlustig gegangen sind, diese in bestimmten Fällen lebenslang vorzuenthalten (Binderup hatte nach einer schlimmen Scheidung in den 70ern unfreiwillig eine kurze "Auszeit" in einer Psychiatrie genießen dürfen; per GCA disqualifizierte ihn diese Tatsache bis zu ebenjenem Richterspruch aus dem 3. dauerhaft vom Waffenerwerb, -besitz oder -gebrauch). Dieses Urteil bleibt nun also bestehen. Weitere Lockerungen auf diesem Gebiet können daher mittelfristig erwartet werden - oder irgendwann ein neuer Fall, den SCOTUS de facto annehmen muß, sobald von einem anderen höchsten Berufungsgericht auf Bundes- oder Staatenebene ein gegenläufiges Urteil kommt, wodurch ein aufzulösender sog. split of authority entstünde.

 

Die Frage, ob Waffen öffentlich geführt werden dürfen, wird den Supreme Court aber schon im kommenden Herbstsemester (Heller läßt keinen anderen Schluß zu) erneut beschäftigen. Es steht für Mitte Juli nämlich in Norman v. State of Florida die Einreichung einer neuen cert petition beim obersten Verfassungsgericht an, und zwar die lupenreine, unverwässerte Frage, ob ein Verbot des offenen Führens verfassungswidrig ist, an, inkl. glasklarem Rule 10 Split.

 

Sollte eine Anhörung in Norman wider Erwarten nicht gewährt werden, steht der argumentativ bislang stärkste Fall in Nichols v. Brown aus Kalifornien als zweites in der Pipeline für den Supreme Court. Auch hier ist die Frage, ob das erlaubnisfreie, offene Führen geladener Waffen in der Öffentlichkeit von der Verfassung geschützt wird oder nicht. Bis auf weiteres steckt die Sache jedoch noch am 9. fest, es wird auf ein Urteil oder aber womöglich die Gewährung einer mündlichen Anhörung vor dem full court gewartet. In jedem Fall wird die Angelegenheit nicht von der Bildfläche verschwinden.

 

Aus Kongreß und Weißem Haus: Stille auf allen Waffenkanälen. Man ist zu sehr mit dem Durchpeitschen der untoten Neocon-Agenda beschäftigt.

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Daß Justice Thomas den Fall annehmen wollte, ist umso überraschender, als er dafür bekannt ist, bei der Abweisung von Fällen aufgrund von (für Außenseiter ohne juristisches Fachwissen) geradezu haarspalterischen prozeduralen Gründen ganz vorn mit dabei zu sein. Die prozeduralen Defekte in Peruta waren hingegen kein bißchen haarspalterisch oder trivial - Man kann üblicherweise dem Supreme Court nicht eine Frage stellen, die man der niederen Instanz gerade nicht gestellt hat. Konkret war das so:

 

Frage vor dem 9.: Haben Bürger unter dem 2. Verfassungszusatz das Recht auf die Ausstellung von (gebührenpflichtigen) Waffenscheinen?

Frage vor dem Supreme Court: Haben Bürger unter dem 2. Verfassungszusatz das Recht, Waffen in irgendeiner Art und Weise ["in some manner"] öffentlich zu führen?

 

Wie man auch als Nichteingeweihter erkennt, sind das zwei vollkommen verschiedentliche Beschwerden, deren Auflösung jeweils völlig unterschiedliche Konsequenzen nach sich zöge.

 

 

*Nebenargument der NRA (!) in jenem Fall: Die Bundesstaaten haben in jedem Fall das Recht**, das offene Führen gesetzlich zu verbieten.

 

**Paul Clement klang 2008 vor dem Supreme Court noch gar nicht so schlecht, obwohl er da in seiner Eigenschaft als Generalstaatsanwalt für den Bund die Hoplophoben vertreten mußte. In einer kuriosen Vertauschung der Rollen argumentierte er während der mündlichen Verhandlung, daß "...es mehr als nur ein wenig schwierig ist, zu sagen, daß die eine Waffe, die gerade NICHT vom 2. Verfassungszusatz geschützt sein soll, die Standardwaffe der Nationalgarde ist, und das ist nichts anderes als ein Maschinengewehr." (von mir aus dem Gedächtnis paraphrasiert). Alan Gura, der die Pro-Seite vertrat, antwortete hierauf, daß es selbstredend Typen von Waffen gäbe, die nicht für den allgemeinen privaten Besitz geeignet seien, darunter eben auch Vollautomaten. Die Frage war immerhin gar nicht für den Fall relevant.

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Am 2/9/2017 um 03:44 schrieb karlyman:

Vielleicht ist die Behörde auch einfach nur pragmatisch (geworden)?

 

Die müssen halt auch, so unsympathisch sie mir sind, den Unsinn des Gesetzgebers ausbaden.

 

Bei den SBR und AOW wäre es wirklich Zeit, denn die ergeben gar keinen Sinn. Die künstliche Unterscheidung zwischen Kurz- und Langwaffe wurde durch die .223 Pistolen und die Arm-Braces, die Sig dann höchst erfolgreich vermarktet hat, ad absurdum geführt. Einerseits kann man schlecht sagen, daß ein für den relativ seltenen aber doch regelmäßig vorkommenden Fall eines Schützen mit schwacher oder keiner zweiten Hand wirklich nützliches Teil verboten werden sollte, wofür es auch keine Rechtsgrundlage gäbe. Andererseits ist wohl doch offensichtlich, daß die Mehrzahl der Benutzer nicht armamputiert sind sondern das Ding eher als Schulterstütze verwenden wollen, was das ATF ja auch zeitweise für unbedenklich erklärt hat, dann aber seine Meinung wieder geändert hat, und zwar auf eher fragwürdiger Rechtsbasis (das Schultern stelle angeblich eine Veränderung der Waffe dar, was insofern absurd ist, als daß während des Schulterns und erst recht nach dem Absetzen die Waffe vollkommen unverändert vorliegt). Kurzwaffen mit Schulterstützen sind auch seit anno dazumal in Gebrauch, z.B. die Mauser C96. Der Erfindergeist der Waffenbesitzer hat in diesem Fall das künstliche Unterscheidungskriterium ad absurdum geführt, und die Kerle beim ATF sind in einer etwas blöden Position, weil sie einerseits das Gesetz nicht von sich aus aufgeben können und sagen können, eine Schulterstütze sei legal wenn sie auch als Armstütze verwendbar ist, andererseits aber für das Verbot des Schulterns der Armstützen auch nur Spitzfindigkeiten am Rande der Rechtsbeugung bleiben.

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vor 22 Minuten schrieb JDHarris:

Wenn ich das richtig sehe, ist ein Problem dabei, dass das offene Führen nur als Ordnungswidrigkeit angesehen wird und nicht als Straftat oder Verbrechen. Damit fällt es weitestgehen in die Befugnis der örtlichen bzw bundesstaatlichen Behörden.

 

Wo denn? Bei mir ist das ein Verbrechen, auch wenn verdecktes Tragen mit Schein inzwischen OK ist. Richtig ist allerdings, daß Regeln über das Tragen (außer in Bundeseinrichtungen und noch ein paar Ausnahmen) weitgehend Recht der Einzelstaaten sind.

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vor 12 Minuten schrieb Proud NRA Member:

 

Wo denn? Bei mir ist das ein Verbrechen, auch wenn verdecktes Tragen mit Schein inzwischen OK ist. Richtig ist allerdings, daß Regeln über das Tragen (außer in Bundeseinrichtungen und noch ein paar Ausnahmen) weitgehend Recht der Einzelstaaten sind.

J.D. schreibt jedenfalls, dass es in FL "nur" ein bussgeldbewärtes Vergehen ist. Damit hat zumindest ein Kläger aus Florida schlechte Karten, damit vor ein Bundesgericht zu gehen. Was die Ausgestaltung von Gesetzen mit örtlichen "Eigenarten" angeht, ist man da ja auf lokaler Ebene weitestgehend frei.

 

Wenn es in anderen Regionen als "Verbrechen" angesehen wird, könnten die chancen eventuell besser stehen, denn dann werden ja nicht nur "örtliche Eigenarten" ordnungsrechtlich Umgesetzt, sondern in Grundrechte eingegriffen.

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Zu den Details der örtlichen Gesetzgebung kann ich nicht viel sagen. Ein Vergehen gegen eine örtliche Bestimmung ist eben ein Vergehen gegen eine dort geltene Regel. Eventuell könnte er sich auf Bundesebene gegen das "übertriebene" Strafmaß zur Wehr setzen.

 

Ich sehe da jedenfalls kaum Chancen auf Bundesebene gegen local vorgeschriebene Regeln vorzugehen. In den USA ist man ja "stolz" auf die weitgehende Eigenständigkeit der Bundesstaaten und das Washington da nicht viel reinreden kann. Das gehört eben zu den grundsätzlichen Problemen einer föderal organisierten Gesellschaft.

 

Genausogut kann halt eine Stadt wie Kenesaw das tragen von Waffen als "Pflicht" vorschreiben.

Bearbeitet von JDHarris
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Dale L. Norman hat erstinstanzlich 300 US$ (ohne Knast) aufgebrummt bekommen. Er war wegen der vergleichsweise doch sehr moderaten Höchststrafen unter den von @Proud NRA Membergenannten Statuten glücklicherweise nie in Gefahr, unter dem '68er Gun Control Act seiner Waffenrechte verlustig zu gehen.

 

Da er unter einem nur lokal (d.h. in seinem Bundesstaat) gültigen Gesetz betreffs einer kriminellen Handlung belangt wurde, mußte er auch vor den Gerichten des Staates Florida streiten.

 

Noch bis 1971 hätte er die Möglichkeit gehabt, die Sache in der Berufung direkt an das zuständige Bundesbezirksgericht heranzutragen. Die damals hierfür notwendige Voraussetzung, ein Fallenlassen der Anklage bzw. Aufheben des niederinstanzlichen Urteils aus bundesrechtlichen Bedenken (und nichts anderes ist die Verfassung samt 2A ja) verlangen zu können, hätte er mit Leichtigkeit erfüllt.

 

Dann kam jedoch eine Entscheidung des US Supreme Court (Zitat ist mir gerade entfallen) dazwischen, die die Auslegung des Federal Civil Rights Act von 1871 dahingehend änderte, daß kein solches Anrecht auf einen alternativen Prozeß vor bzw. "Schienenwechsel" zu den Bundesgerichten mehr besteht*. Seitdem ist speziell dieser Pfad durch die Instanzen versperrt**.

 

 

*Ironischerweise wurde dieses Gesetz nach dem Ende des Sezessionskriegs des Südens verabschiedet, um zu verhindern, daß ein Angeklagter, der dem Vorsitzenden eines politisch/ideologisch "belasteten" örtlichen Gerichts nicht paßte, diesem unter allen Umständen auf Gedeih und Verderb ausgeliefert sein müßte.

 

** Das ist dann nicht der Fall, wenn ein Kläger sua sponte (d.h. von sich aus, ohne ein Gesetz übertreten zu haben und angeklagt worden zu sein) die Rechtmäßigkeit einer bestehenden Regelung vor Gericht bestreitet. Dies kann direkt vor einem Bundesgericht ausgefochten werden (und wird es auch tagtäglich).

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In die Sache mit der Deregulierung von Schalldämpfern ist bereits in der zweiten Junihälfte Bewegung gekommen. Der im Januar in den Kongreß eingebrachte Hearing Protection Act wurde nun in ein größeres Rahmengesetzgebungsverfahren hineinkonsolidiert: Mit Verabschiedung des Sportsmen's Heritage and Recreational Enhancement Act (SHARE) würden Schalldämpfer aus der Liste der NFA-relevanten Gegenstände gestrichen. Somit entfielen auch Registrierungs- und Besteuerungszwang.

 

Dummerweise werden Schalldämpfer ab da nicht wie andere Zubehörteile wie Vorderschäfte oder Zweibeine behandelt, sondern rechtlich bei Erwerb und Besitz erst einmal den Langwaffen gleichgestellt. Das heißt, daß beim Kauf im Laden zunächst ein background check via NICS durchexerziert werden muß, ganz so, als ob man eine scharfe Waffe kaufte.

 

ATF hat 365 Tage ab Inkrafttreten, um seine Aufzeichnungen über registrierte Schalldämpfer zu vernichten.

 

Das Gesetz verhindert, daß auf Bundesstaatenebene separate Registrierungs- und Besteuerungsregimenter für Schalldämpfer eingeführt werden.

 

Das Gesetz legalisiert Schalldämpfer in Staaten, die solche als verbotene Gegenstände behandeln, nicht. Waffenbesitzer z.B. in New York oder auf Hawaii schauen also weiter auf unbestimmte Zeit in die Röhre.

 

Das Gesetz erhebt eine Steuer in Höhe von 10% auf die Herstellung jedes neuen Schalldämpfers (Pittman-Robertson excise tax). Diese Steuer fällt genauso für die Herstellung jeder anderen, herkömmlichen (also nicht NFA-relevanten) Feuerwaffe an.

 

Jeder neu produzierte Schalldämpfer muß eine Seriennummer auf einer noch im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens näher zu bestimmenden "Kernkomponente" besitzen.

 

Ich denke, daß wenn man die kleineren Wermutstropfen ignoriert, das große Ganze hier eventuell einen kommenden Trend andeutet: Das erste Mal in knapp 83 (!) Jahren zeigt der schon antik zu nennende National Firearms Act von 1934 ein kleines Anzeichen von Schwund. Vielleicht ist in den kommenden sechs oder sieben Jahren auch die Streichung von short-barreled rifles (SBR, "kurzläufige Gewehre) und short-barreled shotguns (SBS, "kurzläufige Flinten") drin.

 

 

 

SHARE (draft).pdf

Bearbeitet von J.D.
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Die Senatoren Mike Lee (Utah) und Mike Crapo (Idaho) haben einen mit SHARE konkurrierenden Gesetzesentwurf in der oberen Kammer des Kongreß' eingebracht. Der Silencers Helping Us Save Hearing Act (SHUSH) geht deutlich weiter und würde sämtliche Beschränkungen, wie sie NFA, SHARE und auch sämtliche der noch bestehenden Gesetze auf Bundesstaatenebene auferlegen, abschaffen. Schalldämpfer würden unter SHUSH wie gewöhnliche Accessoires behandelt. Ohne Registrierung, Besteuerung, NICS background check oder sonstiges. Die Erfolgsaussichten sind in diesem frühen Stadium nicht abzusehen.

 

EDIT: Das Gesetz wurde im Repräsentantenhaus als H.R.3139 eingeführt.

 

In spätestens fünf Tagen muß Dale Lee Norman sein schriftliches Ersuchen (petition for a writ of certiorari) um Anhörung vor dem Supreme Court eingereicht haben.

 

In spätestens vierzehn Tagen muß Stephen Kolbe sein schriftliches Ersuchen um Anhörung vor dem Supreme Court eingereicht haben. In Kolbe v. Hogan ging oder geht es um Marylands Verbot von "merkmalsbehafteten" (soll heißen "anscheinsartigen"), halbautomatischen Zentralfeuergewehren ("Assault Weapons") sowie das Verbot von "großen" Magazinen, die mehr als zehn Schuß aufnehmen können. Nachdem ein geteiltes Drei-Richter-Panel im Berufungsverfahren diese Beschränkungen als verfassungswidrig eingestuft hatte (und nebenbei festgehalten hatte, daß in allen Fragen rund um den zweiten Verfassungszusatz mit strict scrutiny immer der strengstmögliche Standard richterlicher Normenkontrolle angewandt werden müsse), ging Maryland seinerseits nochmals vor einem en banc-Panel des 4. Bundesgerichtsbezirks in Berufung, welches ebenjenes Urteil wieder aufhob und Marylands Verbotsgesetz stehenließ. Kolbes letzte Chance auf recursus ist nun das Verfassungsgericht.

 

Die Chancen für eine Annahme des Falls durch SCOTUS stehen extrem schlecht. In einem identischen Fall aus Michigan (Friedman v. Highland Park) wurde ein solches Ersuchen 2014 begründungslos abgelehnt, wenn auch A. Scalia und C. Thomas damals einen erbosten dissent verfaßten. Der Grund, so munkelt man, liegt in der Angst der beiden politischen Flügel darüber, mit wem der "Zentrist" A. Kennedy stimmen wird. Links (Sotomayor, Kagan, Ginsburg, Breyer) kann sich nicht darauf verlassen, daß er ihre Seite stützt, rechts (Thomas, Gorsuch, Alito, Roberts [?]) hat das gleiche Problem. In der Folge lehnen daher vermutlich mindestens sechs Richter aus lauter Vorsicht in solchen "heißen" Streitfragen die Annahme des Falls ab (es braucht die Stimmen von vieren, um einen Fall anzunehmen). Die seit geraumer Zeit eingefahrene, delikate 4-1-4-Balance kann nur durch die Nachbesetzung durch neue Richter in die eine oder andere Richtung aufgelöst werden. Kennedy hat sich zum Ende des 2017/2018er term zwar nicht in den Ruhestand verabschiedet, aber für 2018/2019 bislang nur einen einzigen clerk (Mitarbeiter) eingestellt (Verfassungsrichter im Ruhestand haben Anrecht auf einen Mitarbeiter, aktive auf vier). Eventuell zieht er sich also zum 30.06.2018 zurück. Ruth Bader Ginsburg ist 84 und gerüchteweise gesundheitlich schwer angeschlagen. In den kommenden zwei oder drei Jahren könnten also (mindestens) zwei Stühle neu besetzt werden.

 

Übrigens: Wer sich wundert, warum an dieser Stelle zu 80% über Gerichtsverfahren und speziell diesen oder jenen Richter geschrieben wird: Die USA werden von Richtern beherrscht. Der erwähnte Anthony Kennedy als die ewige swing vote am Supreme Court, der mal mit dem linken, mal dem rechten Flügel stimmt, ist der mächtigste Mann Amerikas. Auch sonst hat die Judikative das Land in der Hand. De facto sind vom Kongreß verabschiedete Gesetze oder vom Präsidenten erlassene Anordnungen dieser Tage so lange (schwebend) nichtig, bis ein Richter dessen Rechtmäßigkeit bestätigt oder aber verneint hat. Die neuen Philosophenkönige kommen aus Harvard, Yale und Columbia. Der ganze Rest ist mehr oder weniger folkloristisches Beiwerk aus den Tagen der alten Republik. 

Bearbeitet von J.D.
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Dale Lee Normans Anwalt reichte gestern Verfassungsbeschwerde beim Supreme Court ein.

 

So weit, so gut. Der Haken ist, daß die Fragestellung (unnötigerweise) auf Faustfeuerwaffen beschränkt wurde. Trotz dringlichem Anraten von Unterstützern entschloß sich Normans anwaltliche Vertretung, Stephen Halbrook, Langwaffen außen vor zu lassen.

 

Zwei der Richter vom linken Flügel, die in Sachen Heller anno 2008 einen dissent verfaßten, sind nämlich der Ansicht, daß es durchaus ein Recht auf das offene Tragen von Langwaffen unter dem zweiten Verfassungszusatz gäbe (und denken gleichzeitig, daß Faustfeuerwaffen verfassungskonform vollständig verboten werden können). Hier wäre die einmalige Möglichkeit gegeben gewesen, mit zwei "feindlichen" Stimmen zumindest die Annahme des Falls und damit eine mündliche Verhandlung zu ermöglichen.

 

Da diese Chance vertan wurde, ist es aufgrund der durch Justice Kennedy bedingten (Nicht)Mehrheitsverhältnisse trotz wasserdichtem Rule 10 Split nun trotzdem möglich, daß es auch hier heißen wird: "Cert denied." Zumindest würde ich nicht die Luft anhalten, was die Chancen des Falls seit gestern anbelangt.

 

Das weitere Procedere sieht nun wie folgt aus:

 

1) Norman legt Verfassungsbeschwerde ein (erledigt)

2.a) Der Bundesstaat Florida reicht ein Brief in Opposition (ca.: Gegendarstellung) ein.

 

ODER

 

2.b) Der Bundesstaat Florida teilt SCOTUS mit, kein Brief in Opposition einreichen zu wollen.

 

Dann:

 

2.b.1) SCOTUS ordnet dennoch an, daß Florida eine Gegendarstellung einreicht.

 

ODER

 

2.b.2) SCOTUS erzwingt keine Gegendarstellung durch Florida.

 

2.b.1) hieße, daß ein gewisses Interesse unter den neun Verfassungsrichtern besteht und das Spiel weiterhin offen ist; Norman müßte dann eine Gegendarstellung zur Gegendarstellung einreichen (genau wie in Möglichkeit 2.a).

2.b.2) hieße, daß der Fall mausetot ist (dead on arrival), warum auch immer.

 

Sollte Norman tatsächlich abgewiesen werden, ist nur noch das "Schwergewicht" (was die juristische Finesse und das vorgetragene Argument angeht, nicht unbedingt die Publicity) unter den Führstreitigkeiten im Ring. In Nichols v. Brown aus Kalifornien warten wir derzeit auf eine Entscheidung der zuständigen Berufungsinstanz des Bundes. Die kann theoretisch schon morgen ein Urteil ohne mündliche Verhandlung fällen. Oder sie kann ein Jahr (oder länger) lang nichts tun, bevor zunächst eine mündliche Verhandlung anberaumt wird. Nach dieser kann ein weiteres Jahr (oder sogar mehr) ins Land gehen, bevor es zu einem Urteilsspruch kommt.

 

Nach einem hypothetischen Scheitern von Norman v. Florida wären also im Extremfall ein bis zwei Jahre abzuwarten, bis der nächste Second Amendment-Fall reif für den Supreme Court wird.

 

 

 

Dale L. Norman v. State of Florida cert petition.pdf

Bearbeitet von J.D.
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Nach einem aufmerksameren Durchlesen der Cert Petition habe ich keine Hoffnung mehr für diesen Fall. Anwalt Halbrook erwähnt mit keiner einzigen Silbe den einen, einzigen Grund, aus dem der Supreme Court diesen Fall annehmen muß: Der Florida Supreme Court hat eine Entscheidung gefällt, die zweihundert Jahre in sämtlichen Gerichtsbezirken gepflegte Präzedenz einfach so über Nacht auf den Kopf stellt und sogar dem Urteil des en banc panel in Peruta v. San Diego widerspricht.

 

Ein solcher Rule 10 Split ist der stärkste (und zumeist einzige) Grund, warum das Verfassungsgericht in einer an es gestellten Frage überhaupt tätig werden soll. Norman v. State ist geradezu ein Musterbeispiel dafür. SCOTUS ist laut eigenen Statuten ein "Court of Review" und gerade nicht ein "Court of First View".

 

Leichtfertig vertan.

 

EDIT: Die Dummheit, die Frage auf Handfeuerwaffen zu beschränken, hätte sogar beim rechten Flügel des Supreme Court wahrscheinlich in einem Fall für Probleme gesorgt. Es gibt starke Gründe, anzunehmen, daß Justice Samuel Alito nicht nur einfach (richtigerweise) der Ansicht ist, daß das verdeckte Tragen von Waffen nicht von der Verfassung geschützt ist, sondern daß schon das Führen aller prinzipiell verdeckt tragbaren Waffen im Zweifel verboten werden kann, egal ob sie sich nun tatsächlich offen oder verdeckt am Mann befinden. Mit einer Fragestellung, die sich ganz klassisch (wie in den meisten Präzedenzfällen zuvor auch) einfach nur auf "arms", also auch auf Langwaffen und blanke Waffen usw., gestützt hätte, wäre diese Sackgasse leicht zu vermeiden gewesen.

Bearbeitet von J.D.
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  • 2 Wochen später...

Zum letztmöglichen Zeitpunkt der Frist wurde in Sachen Kolbe v. Hogan beim Supreme Court nun schriftlich Beschwerde eingelegt. Ad rem: Der Bundesstaat Maryland verbietet Erwerb und Besitz der meisten halbautomatischen Zentralfeuergewehre sowie von Magazinen, die mehr als zehn Schuß Munition aufnehmen können. Stephen Kolbe ist ein von der örtlichen Niederlassung der NRA geführter Musterkläger dagegen.

 

Die Eingabe ist mitsamt Anhängen stolze 325 Seiten stark. Quantität ist nicht zwangsläufig identisch mit Qualität, aber bislang hatte ich noch keine Gelegenheit, genauer drüberzuschauen. Nur soviel vorab: Im Jahr 2014 hat SCOTUS (wie hier schon mehrfach erwähnt) die Eröffnung eines Verfahrens im identisch konstruierten Friedman v. Highland Park begründungslos abgelehnt. Es hängt bei der Thematik "AR15 + Bananenmagazin" im Grunde ausschließlich an der politischen Balance der Verfassungsrichterschaft, nicht an der Finesse oder dem Format der vorgebrachten Argumente (jedes solche Verbot steht klar im direkten Widerspruch zu per D.C. v. Heller durch das oberste Verfassungsgericht selbst etablierter Präzedenz und sollte allein deswegen unter den Verfahrensregeln des Gerichts Gegenstand einer Verhandlung sein).

 

Dessenungeachtet muß man anmerken, daß die NRA sich in den vergangenen 15 Jahren bei der Verteidigung des zweiten Verfassungszusatzes nicht gerade mit Ruhm bekleckert hat. Sollte die NRA-finanzierte anwaltliche Vertretung Stephen Kolbes in dieser Eingabe (schon wieder) das "Argument" vorbringen, daß Magazine zwar grundsätzlich allein aufgrund ihrer Kapazität verfassungskonform verboten werden können, allerdings lediglich zehn Schuß "zu wenig" seien (warum auch immer), würde eine (sehr hypothetische) mündliche Verhandlung das Äquivalent zum Polieren des Tafelsilbers an Bord der Titanic.

 

 

Für die erste Oktoberwoche wurde der bereits im Frühling angenommene Fall Class v. United States zur mündlichen Verhandlung beim höchsten Gericht des Landes anberaumt. Es dreht sich hierbei zunchst nur indirekt um eine Waffenrechtsfrage. Class wurde dabei erwischt, wie er in Washington sein Auto auf dem Parkplatz einer Behörde abstellte und eine Pistole im Auto verwahrte (letzteres ist präsumptiv verboten, abhängig davon, ob der Parkplatz schon "in der Behörde" ist oder noch nicht). Das Vergehen gab er in der niederen Instanz zu, brachte jedoch hervor, daß das Gesetz, aufgrunddessen er verurteilt werden sollte, per 2nd Amendment verfassungswidrig sei. Der Richter erwiderte, daß er angesichts seines Schuldeingeständnisses sein Recht, die Verfassungsmäßigkeit der Statute anzufechten, verwirkt habe.

 

Die vor SCOTUS zu verhandelnde Frage ist daher von strafprozeßrechtlicher Natur. Abhängig davon, wie die neun Richter urteilen, wird daraus aber ein Waffenrechtsfall bei einer möglichen Aufhebung des ursprünglichen Urteils und Rückverweisung der Streitsache an die niedere Instanz werden. Entscheiden sie tatsächlich, daß Class das Gesetz trotz vorherigem Geständnis aus verfassungsrechtlichen Bedenken attackieren kann, muß die Sache vor dem District Court neu aufgerollt und die waffenrechtlichen Aspekte explizit beurteilt werden.

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