Ich verweise noch einmal darauf, dass es zum jeweiligen Zeitpunkt einer Beschaffung Anerkannte Regeln der Technik und einen Stand der Technik gibt.
Ein schöner Leitsatz ist: Die anerkannten Regeln der Technik unterscheiden sich vom Stand der Technik dadurch, dass letzterer eine höhere Stufe der technischen Entwicklung darstellt, sich aber in der allgemeinen Praxis noch nicht langfristig bewährt haben muss.
Zum Zeitpunkt der Entwicklung des G36 entsprachen Kunststoffwaffengehäuse zwar dem Stand der Technik, aber offensichtlich nicht ausreichend oder gar langjährig erprobt. Was das für Folgen hat(te), wird erst heute der Öffentlichkeit scheibchenweise bekannt.
Selbst heute, 20 Jahre nach der Einführung des G36, bauen die allermeisten neuen Sturmgewehrentwicklungen auf zumindest einem minimalen Metallgehäuse auf und haben eben keine ausschliesslich in den Kunsstoff gegossenen Laufhaltebuchsen (Patent "Thermal barrier for firearms", Beretta*). Eines der wenigen Konkurrenzprodukte mit ähnlicher Konstruktionsweise verwendet dann z.B. einen Keramikisolator zwischen Lauf und Kunststoff. Beides hat seinen Grund und bildet mit Anderem zusammen die heutigen Anerkannten Regeln der Technik, die sich im Handwaffensektor von den damaligen kaum unterscheiden.
Der Hersteller ist hier also in der Erklärungspflicht, weswegen er Fähigkeitsforderungen mittels einer bestimmten, von diesen Anerkannten Regeln der Technik abweichenden Konstruktion umsetzt.
Der Grund ist einfach, Gewinnmaximierung durch einfachere (und in der Rethorik des Herstellers "modernste") Produktionsmethoden. Das ist sein gutes Recht, darf aber nicht auf dem Rücken des Kunden durch eingeschränkte Funktionalität im Vergleich zu klassisch konstruierten Sturmgewehren ausgetragen werden - ganz unabhängig davon, ob der Kunde jetzt an alle Kriterien in seiner Ausschreibung gedacht hat oder nicht. Wie bereits erwähnt sehe ich hier den führenden Handwaffenhersteller durchaus in der Pflicht, den Kunden entsprechend zu beraten.
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