Schwarzwälder Posted August 16, 2004 Posted August 16, 2004 Recht des Stärkeren? Was mich wundert bei den vielen wirtschaftspolitischen Diskussionen hier: Wir alle akzeptieren enge Regelungen/Gesetze zum Schutz der Schwächeren - klar darf der körperlich Stärkere die Schwächeren nicht einfach an die Wand klatschen, der stärker Bewaffnete die Schwächeren nicht einfach über den Haufen schiessen - aber wenn es um Geld und die finanziell "Stärkeren" geht, dann schreien viele hier nach totaler Abschaffung staatlicher Regelungen, Steuern und Gesetze/Schutz und fordern den ungehemmten freien Wettbewerb. Dabei schreiben viele multinationale Konzerne schon Bilanzsummen, die weit höher als das BIP ganzer Volkswirtschaften sind - und deren Konzernchefs entziehen sich dabei jeglicher demokratischer Kontrolle. DAS sind die wahren global players, die selbst Basta-Schröder 140 Jahre alte Parteigrundlinien über Bordwerfen lassen, um einer neoliberalen Marktwirtschaft zu huldigen. In einem irren Standortwettbewerb versucht ein Staat den anderen in Sozialabbau, Arbeitnehmerrechteabbau und Lohnkosten zu toppen, bis alle gemeinsam für Stundenlöhne a la Bangladesch 14h/Tag ackernd im Dreck liegen und ein paar wenige Wirtschaftsbosse - der "freien" Marktwirtschaft sei Dank - den Rest der Welt zu Wirtschaftssklaven gemacht haben. Demokratie wird dann zum zynischen Begriff. Nein, wir müssen wieder akzeptieren lernen, dass eine intelligente (!) "Steuer(n)ung" den Markt zu unser aller Nutzen regelt. Grüsse, Schwarzwälder
chief wiggum Posted August 16, 2004 Posted August 16, 2004 Volle Zustimmung Ich bin bestimmt niemand der hier das rote Fähnchen schwingt, aber das Hauptproblem mittlerweile ist das viele ( nicht alle ) Konzerne den Hals nicht voll genug kriegen können. Während früher noch langfristiger Erfolg und Beständigkeit die Unternehmenspolitik bestimmten gilt heute die Maxime in möglichst kurzer Zeit möglichst hohe Gewinne einzufahren. Nach uns die Sintflut. Das Schlimme ist das mittlerweile fast alle, auch unsere Politiker das Märchen vom zu teuren "Freizeitpark" Deutschland glauben. Ich habs schon öfter hier geschrieben. Wenn wir im internationalen Wettbewerb wirklich so hoffnungslos überteuert wären, warum sind wir dann immer noch weltweit mit an der Spitze was Exporte angeht? Das wir überreglementiert sind und in manchen Bereichen über unsere Verhältnisse leben stimmt. Zu viel Bürokratie? Stimmt. Aber hat schon mal jemand Erfahrungen mit Behörden in anderen Ländern gemacht? Ich habe in einer Firma gearbeitet da wurde versucht mit russischen Firmen Geschäfte zu machen. Wir habens dann bleiben lassen... Kollektiver Freizeitpark, zu viel Urlaub und zu wenige Wochenarbeitsstunden? Ich habe sieben Jahre lang in einem Handelsunternehmen gearbeitet das viele Lieferanten und auch Kunden im europäischen Ausland hat, habe also gewisse Einblicke in den Betriebsablauf ausländischer Unternehmen, vor allem in Belgien, den Niederlanden, Italien, Frankreich und Großbritannien. Kann schon sein das die mehr arbeiten, gestresster waren aber meistens meine Ansprechpartner in deutschen Firmen, weil die das Pensum was woanders in 42 Wochenstunden gebracht wird in 35 Stunden bringen müssen ( und auch bringen ). Deutschland unflexibel? Wenn es um kurzfristige Änderungen bei Aufträgen, Terminänderungen oder sonstiges ging war ich immer froh bei einer deutschen Firma vorzusprechen... Die ( wenigen ) Konzerne die hier am lautesten schreien fahren in ihren Bilanzen die höchsten Gewinne ein. Der Mittelstand, das eigentliche Rückgrat userer Volkswirtschaft, geht dagegen oftmals leer aus. Wie viele kleinere Bauunternehmen gingen Pleite weil ein vom Staat unterstützer Holzmann-Konzern sie platt machte bevor er dann doch den Bach runter ging? Deutsche Erfindungen werden im Ausland produziert weil die Produktion hier angeblich zu teuer ist. Bestes Beispiel MP 3, das Musikformat der Zukunft. Entwickelt in Deutschland, produziert in Asien. Ein in Deutschland gebauter MP 3 Player oder Fernseher soll international nicht konkurrenzfähig sein? Warum klappt das dann bei Maschinen, Autos, Waffen usw? Reformen müssen sein, aber man sollte das rechte Maß dabei im Auge behalten. Und der Standort Deutschland ist lange nicht so schlecht wie er gemacht wird. Nach insgesamt 10 Jahren Berufstätigkeit im kaufmännischen Bereich studiere ich jetzt. Habe das "Vergnügen" mit lauter dynamischen, jungen, hoffnungsvollen Schulabgängern. Planspiel: In einer fiktiven Firma läuft es nicht mer so gut. Was schlagen die Heinis als erstes vor? Stellen abbauen. Komme ich dann mit Preispolitik überdenken, bisheriges Marketingkonzept prüfen, Produktpolitik überprüfen, Einkauf optimieren usw. machen sie große Augen. Da wundert es mich dann nicht wenn es später in den Betrieben genau so abläuft Aufpassen Leute. Das Posting von Schwarzwälder zeigt mir wenigstens das sich hier nicht alle verarschen lassen.
Carsten Posted August 16, 2004 Posted August 16, 2004 Ja, wollen unsere Politiker denn überhaubt demokratische Kontrolle über die Konzerne? Über die Konzerne, von denen sie Aktien haben, in deren Aufsichtsräten sie sitzen, von denen sie geschmier... ähhhh, "gesponsort" werden?
Hagen Posted August 17, 2004 Posted August 17, 2004 Beruflich habe ich permanent mit "Vorständen" diverser Firmen der "Finanz- und Dienstleistungsbranche" zu tun. Ich möchte hier nicht alten Unternehmertypen nachtrauern, die noch eine soziale Verantwortung für ihre Mitarbeiter hegten (z.B. Zeiss oder Abbè). Ich kenne aber noch Profis wie z.B. Abs, Schieren oder Herrhausen, um nur einige zu nennen. Im Vergleich hierzu wäre bei vielen der heutige Figuren der Begriff "Mittelmaß" noch geschmeichelt. (Kennt noch jemand den emporgekommenen Filialleiter Kopper?) In der Mehrzahl begegnen mir hier Raffkes, die Entscheidungen, die vor 20 Jahren ein Abteilungsleiter treffen UND VERANTWORTEN mußte, nur noch im Kollektiv entscheiden, um sich gegenseitig abzusichern. Originäre Entscheidungen gibt es sowieso nicht mehr, sondern man macht das, was die anderen im Markt machen, damit ist man immer auf der sicheren Seite. (Eine lobenswerte Ausnahme war der Chef der Debeka bezüglich der Anlagepolitik des Lebensversicherunsportfolios). Der berühmt-berüchtigte "shareholder value" war schon vor 30 Jahren in der BWL EINES!!! von VIELEN Kriterien, aber nicht das allein seligmachende. Dann kam das Ding als Hype aus den USA. Jetzt wird im Rahmen des 5-Jahres-Vertrages kurz vor Ablauf der Index hochgejubelt, indem man Standorte schließt oder Mitarbeiter rausschmeißt, um den Folgevertrag zu sichern. Ersatzweise versucht man, in den 5 Jahren mitzunehmen, was geht. Eine einzige Kumpanei von Vetternwirtschaft und rückratlosen Kriechern. Und je höher man in der Hierarchie schaut, desto geringer wird das Unrechtbewußtsein. Hmmm, vielleicht sollte ich nicht so viel grübeln... Schließlich habe ich das unverschämte Glück, in einem Unternehmen arbeiten zu dürfen, wo der Obermotz von Gott selbst auserwählt und befohlen wurde. Er hat sich mit einem lustigen Hofstaat umgeben, dank dem Entscheidungen schnell gefällt werden, weil sie LOGISCHERWEISE das Gleiche denken wie "der Gesalbte". Gut, gelle? Danach kommt eine Heerschar von Vasallen, die mit Guddies bei Laune gehalten werden und dafür auf Befehl Beifall klatschen. Hintenrum sind sie aber diejenigen, die alles Produktive und Innovative hintertreiben und verhindern. Erarbeitet wird das Firmenergebnis von der dispositiven Masse der Arbeiter, die man leider nicht täglich nach Bedarf entlassen und wieder einstellen kann. Aber für die geleistete Fronarbeit kommen sie später mal in den Himmel (hoffentlich bald nach Renteneintritt, damit die Betriebsrente nicht so teuer wird). So, und bevor ich total entgleise, gehe ich zu meinem mir hierarchisch Vorgesetzten und lasse mich wieder neu ausrichten (der sagt mir immer, was ich denken muß).
Fr@nk Posted August 17, 2004 Posted August 17, 2004 In Antwort auf: Nein, wir müssen wieder akzeptieren lernen, dass eine intelligente (!) "Steuer(n)ung" den Markt zu unser aller Nutzen regelt. Das ist richtig. Nur braucht man dafür auch intelligente Macher der Steuerung. Also Leute mit Durch- und Weitblick. Leider kann ich momentan außer Politikern die im ständigen Parteiengeplänkel liegen und verkrusteten Beamten niemanden erkennen.
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