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IGNORED

Frage zur Waffen-Physik


xiphogonium

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Geschrieben

Hallo!

Ich habe eine Frage die sich mehr im physikalischen Bereich bewegt: Wie übertragen sich die Rückstoß-Kräfte beim Abfeuern eines Geschosses bei einem Gewehr mit Holzschaft? Welche Bedeutung kommt der Befestigung des Systems im Holzschaft zu?

Muß das System einfach nur fest im Holzschaft sitzen, so daß die Kraft vom System auf den Schaft und vom Schaft z. B. auf die Schulter des Schützen übertragen wird oder wird an die Verschraubung eine besondere Anforderung gestellt und nimmt diese einen Großteil der auftretenden Kräfte auf?

Ich wundere mich immer wenn ich die Verkeilungen z.B. bei Vorderlader-Gewehren sehe wie die diese Kräfte aushalten oder wie z. B. ein alter K98 mir seinen zwei Systemschrauben die große Kraft aushält ohne aus dem Schaft zu fliegen. Zwar gibt es dort ja noch die Querverschraubung aber es werden ja auch jagdliche Schäfte angeboten die diese Querverschraubung gar nicht besitzen, bzw. für die keine Ausfräsung/Bohrung vorhanden ist und wo das System nur von den beiden Hauptschrauben gehalten wird.

Die Frage hört sich vielleicht etwas dümmlich an aber fragen kostet ja nix! :-)

Gruß

Mike

Geschrieben

Wenn die Verschraubung ordentlich ausgeführt ist, wird die Kraft eher über die Anlagefläche des Systems zum Schaft übertragen. Bei lockeren Schrauben müssen die Schrauben Scherkräfte ertragen und werden früher oder später brechen.

Geschrieben

Das bedeutet also daß es durchaus möglich ist, ein K98-System auch in einem jagdlichen Schaft ohne die besagte Querverschraubung unterzubringen, ohne daß die Sicherheit darunter leidet, solange die Schrauben nur fest angezogen sind und das System paßgenau im Schaft anliegt?

Frankonia hat mal - keine Ahnung ob es die jetzt noch gibt - jagdliche Schäfte angeboten, bei denen diese Querverschraubung nicht vorhanden war.

Mike

Geschrieben

Eine Verschraubung darf niemals Scherkräfte aufnehmen, denn dann geht sie kaputt. Streng genommen ist eine Schraube ein vielfach gekerbter Stab, und somit kaum geeignet um irgendetwas zu befestigen. Deshalb darf sie nur auf Zug beansprucht werden. Wenn das System an anderer Stelle fest verschraubt oder anders befestigt ist, brauchst Du wohl auch keine zusätzlichen Querschrauben. Dazu wäre jetzt aber wichti, wie die andere Befestigung aussieht.

Geschrieben
Welche Bedeutung kommt der Befestigung des Systems im Holzschaft zu?

Um zu verhindern, dass Das System System im Schaft bei jedem Schuss "herumeiert" werden bei präzisen Büchsen so genannte Bettungen eingebracht.

Die Schrauben dienen nur noch dazu, das System und den Schaft zusammen zu halten.

Kräfte werden spiel- und "wackelfrei" übertragen.

Geschrieben

Schraubverbindungen sollen im allgemeinen tatsächlich keine Scherkräfte aufnehmen, d.h. also in "Kraftrichtung" liegen.

Was aber allgemein durch Schraubverbindungen senkrecht zu wirkenden Kräften bezweckt werden soll ist, zwei Bauteile so aneinander zu pressen damit die Kräfte von dem einen Bauteil auf das andere besser übertragen werden kann. Man nutzt dabei die Oberflächenrauheit / Reibung zwischen diesen Bauteilen aus.

So wird die Schraube, die diese Verbindung herstellt tatsächlich kaum auf Scherung beansprucht.

Bei der Querverschraubung der 98er findet sich fast immer ein Metallblock im Schaft, der von der Querverschraubung fixiert wird und die Rückstoßkräfte auf den Schaft überträgt.

Geschrieben

Ich liege dann also richtig damit daß ein paßgenauer, fester Sitz des Systems im Schaft die eigentliche Kraftübertragung gewährleistet und daß die Schrauben in erster Linie dazu dienen diesen festen Sitz zu garantieren, richtig?

Gedankenspiel: Hinter dem Gewehrkolben steht kein Mensch um die Kraft in der nachgiebigen Schulter zu absorbieren und abzuleiten sodern ein völlig unnachgiebiges "Widerlager". Die Kraft überträgt sich vom System auf den Schaft, vom Schaft auf was auch immer man dahinter positioniert hat. Wohin entlädt sich der Rückstoß dann? Oder kommt es dann zu einem Rück-Rückstoß?

Gruß

Mike

Geschrieben

Wenn hinter dem Kolben kein Schütze oder eine andere nachgiebige Masse positioniert ist, also nichts plastisches oder elastisches was die Kraft des Rückstoßes durch Verformung oder Trägheit aufnehmen könnte, kommt es nach dem Impulserhaltungssatz zu einem Rück- Rückstoß, also einer Krafteinwirkung in Schussrichtung.

Gruss steinertdd

Geschrieben

Na, sieht so aus als ob ich von Physik dann doch noch einiges behalten habe. ;-) Ich glaube etwas ähnliches passiert wenn man eine Stahlkugel auf etwas ähnlich hartes fallen lässt, sie springt wieder in die Höhe weil die Kraft praktisch wieder zurückgegeben wird.

Danke jedenfalls für die Antworten! :-)

Gruß

Mike

Geschrieben

Bei einem ideal-elastischen Stoß bleibt die Bewegungsenergie voll erhalten, bei einem ideal-plastischen wird sie vollständig absorbiert. Die Realität liegt stets dazwischen. Liegt die Waffe bereits vor dem Schuss am Widerlager auf, kann allerdings nicht von einem Stoß gesprochen werden.

Bringt man ein Widerlager großer Steifigkeit hinter dem Schaft an, wird man fast jede Jagdwaffe in üblichen Großkalibern in wenigen Schüssen zerstören. Die Rückstoßenergie würde hierbei durch Zerstörung des Schaftes umgesetzt.

Schraubenverbindungen dürfen selbstverständlich kraftschlüssig Querkräfte aufnehmen. Nur die Schraube selbst wird bei korrekter Dimensionierung nicht auf Scherung belastet. Rückstoßkräfte müssen allerdings formschlüssig übertragen werden, da die mickrigen Systemschrauben ein Verrutschen von System und Schaft nicht würden verhindern können. Mehr oder stärkere Schrauben würden nicht helfen, da der Holzschaft nicht in der Lage wäre, die erforderliche Flächenpressung zu überstehen.

Geschrieben

Hallo JV,

danke für die detaillierte Antwort! Da sind natürlich viele Fachbegriffe drin. Vielleicht könntest Du das folgende kurz erklären:

"kraftschlüssig" bedeutet in diesem Zusammenhang genau ....?

"Flächenpressung" in diesem Zusammenhang bedeutet genau ....?

Danke im Voraus! :)

Mike

Geschrieben

Eine kraftschlüssige Verbindung beruht darauf, dass in irgendeiner Form zwei Flächen aneinander gepresst werden und so durch Reibung Querkräfte übertragen werden können. Die übertragbaren Querkräfte sind dabei proportional zur Anpresskraft.

Die Anpresskraft pro Flächeneinheit liefert die Flächenpressung. Ab einer gewissen Flächenpressung versagt das Schaftholz natürlich.

Geschrieben

Reibung will ich bei einer kraftschlüssigen Verbindung aber lieber nicht haben. In diesen Fällen bin ich für Haftung dankbar.

Man spricht erst von Reibung bei Oberflächen, die sich zueinander bewegen.

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