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hegel68

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  1. O.k.: "In juristischen Diskussionen in WO keine Freundlichkeit erwarten." Ist notiert
  2. Ach, sich dagegen zu verwahren, dass einem unterstellt wird, man habe sich sein Wissen "aus Sachkundeunterlagen zusammengeschustert" ist also ein Indiz mangelnder Konfliktfähigkeit?! Na dann.
  3. Also erst einmal würde ich doch bitten, den oberlehrerhaften Ton abzulegen. Sonst ist das mein letzter Beitrag in diesem thread. Ich verstehe überhaupt nicht, wieso du deine Ausführungen zum Begriff der "Erforderlichkeit" mit "Weder noch" einleitest. Ich weiß auch, was der Begriff der "Erforderlichkeit" rechtsdogmatisch bedeutet. Aber das, was du schreibst ist doch nichts anderes als genau die logische Grundlage dessen, was ich zum Thema "milderes Mittel" ausgeführt habe: Aus der von dir gegebenen Bestimmung des Begriffs der "Erforderlichkeit" folgt logisch, dass der Verteidiger in der Wahl der Verteidigungsmittel nicht dazu verpflichtet ist, ein Mittel B anzuwenden, das den Angreifer schont, aber weniger wirksam bei der Abwehr des Angriffs ist als ein anderes "weniger mildes" Mittel A. Und genau das habe ich gesagt. Deine arroganten persönlichen Angriffe à la "aus Sachundeunterlagen zusammengeschustert" kannst du dir da wirklich schenken. "Zusammengeschustert" ist das aus der Kommentarlektüre, der Lektüre der Rechtsphilosophien von Kant und Fichte und Colloquien mit zwei Strafrechtsprofessoren in der Vorbereitung eines Unterkapitels zur Begründung des Notwehrrechts bei Kant und Fichte in einer längeren philosophischen Arbeit. Und falls das nicht genügt, hier mal schnell ein Zitat aus einschlägigen Repetoriumsunterlagen: "Die Handlung ist erforderlich, wenn sie das mildeste der gleich geeigneten Mittel ist. Das Risiko der nicht ausreichenden Verteidigung oder weiteren Beeinträchtigung muss der Angegriffene nicht eingehen." Die Betonung liegt da auf "gleich geeignet" und ebendas habe ich in meinem obigen Beitrag geschrieben, den du als "aus Sachkundeunterlagen zusammengeschustert" bezeichnet hast. Meinst du, die Verfasser der Repetitoriumsunterlagen haben sich das auch "aus Sachkundeunterlagen zusammengeschustert"?! Mir ist schon klar, dass die "herrschende Meinung" der Juristen zum Schußwaffengebrauch diese klare Aussage dadurch versucht mit der Forderung nach einem "Durchprobieren" der Sequenz "Warnruf - Warnschuss - Schuß in die Beine - Schuß auf den Körper" in logischen Einklang zu bringen, dass sie sagt: "Jedes der drei ersten Mittel dieser Sequenz ist gleich geeignet, den Angriff zu beenden wie der Schuß auf den Körper und der Angegriffene nimmt daher nicht das Risiko der nicht ausreichenden Verteidigung auf sich, wenn er sie vor dem Schuß auf den Körper erst durchprobiert." Aber wer die Sache ehrlich angeht, dem ist doch klar, dass das einfach nicht stimmt, sondern zusammenphantasiert ist. Was den ersten Teilsatz angeht, ist es doch völlig evident, dass z.B. ein Schußversuch in die Beine nicht dieselbe Trefferwahrscheinlichkeit aufweist wie ein Schußversuch auf den Torso und damit folglich kein "gleich geeignetes" Mittel ist. Und was den zweiten Teilsatz angeht: Wer es gegenüber einem z.B. mit einem Messer anstürmenden Angreifer oder gegenüber einem fliehenden Räuber zuerst mit einem Warnruf, einem Warnschuß und einem Schuß in die Beine versucht, der verringert für den Fall, dass diese Versuche mißlingen seine Chance, dass der Schuß auf den Körper den Angriff abwehrt, natürlich ganz erheblich. Im Fall des anstürmenden Angreifers, weil der dann u.U. schon so nahe ist, dass es nicht mehr reicht (ich weiß, da gibt es zum Glück auch Gerichtsurteile, die bejahen, dass da keine Versuche mit "schonenderen Mitteln" unternommen werden müssen). Und im Fall des fliehenden Räubers, weil der nach einem Warnruf, einem Warnschuß und einem vergeblichen Schußversuch in die Beine schon viel weiter weg ist als er es zum Zeitpunkt des Warnrufs war. Für Fälle, in denen alles ruhig und nicht hektisch abläuft und man beispielsweise sagen kann "Lassen Sie die Frau los oder ich schieße", mag ja stimmen, was unsere Juristen sich da überlegt haben. Solche Fälle scheinen sie offenbar im Kopf gehabt zu haben, die sich diese - ja im Regelfall verpflichtende - "Eskalationssequenz" beim Schußwaffengebrauch ausgedacht haben. Aber das dürften ja wohl kaum die Standardfälle sein. Ganz richtig, das kommt noch dazu!
  4. Hm, wieso Mumpitz?! Es mag ja sein, dass es einzelne Urteile gibt, die im Hinblick auf Messer u.ä. in dieselbe Richtung gehen. Aber zum einen wüsste ich nicht, wo sonst verlangt würde, dass ich im Regelfall erst drei (!) weniger sichere Verteidigungsmittel "durchprobieren" muss, bevor ich das sicherste anwenden darf.Zum anderen widersprechen die besagten Urteile zu Messern etc. dann halt auch der Logik der Notwehrrechts-Dogmatik. Die geht nämlich davon aus, dass ich mich als Angegriffener gerade nicht darauf einlassen muss, ein weniger sicheres Verteidigungsmittel einzusetzen, um auf diese Weise ggf. den rechtswidrigen Angreifer zu schonen (sondern eben nur, dass ich dann, wenn mir verschiedene gleich "sichere" Mittel zur Verfügung stehen, davon dann das "mildeste" auswählen muss). Beim Einsatz von Schußwaffen (und meinetwegen Messern, Handgranaten und was weiß ich) wird aber plötzlich - in Widerspruch sowohl zur allgemeinen Dogmatik, als auch zum Gesetzestext - das genaue Gegenteil von mir verlangt, nämlich dass ich ein weniger sicher wirksames Mittel einsetzen muss, um den Angreifer zu schonen. Wie daran stimmig sein soll, ist mir offen gesagt ein komplettes Rätsel.
  5. Das scheint in der Tat der derzeit "herrschenden Meinung" unserer lieben Juristen zum Schußwaffeneinsatz in Notwehrsituationen zu entsprechen. Das Problem an dieser "herrschenden Meinung" ist aber, dass sie im krassen logischen Widerspruch zur gesamten Notwehrrechts-Dogmatik steht. Die legt nämlich eindeutig fest, dass niemand dazu verpflichtet ist, ein milderes Mittel zu wählen, wenn er nicht davon ausgehen kann, dass das "mildere Mittel" den rechtswidrigen Angriff mit der gleichen Wirksamkeit endgültig beenden kann wie das "weniger milde" Mittel (und die Wirksamkeitswahrscheinlichkeit eines Warnschusses ist eben immer geringer als die eines gezielten Schusses auf den Mann). Die Forderung, von zwei zur Verfügung stehenden "ungleich wirksamen" Mitteln zuerst das "mildere", aber unsicherere Mittel auszuprobieren, falls danach noch Zeit ist, das "weniger milde", aber sicherere Mittel auszuprobieren, wird von der Notwehrrechts-Dogmatik also eigentlich verneint, dann plötzlich aber für den Schußwaffengebrauch verlangt - und das eben im ausdrücklichen Widerspruch zur sonstigen Notwehrrechts-Dogmatik, ebenso wie zum Gesetzestext. Die Juristen haben sich da einfach eine wirre, widersprüchliche und im Grunde gesetzeswidrige Sonderregelung für die Notwehr mit Schußwaffen zusammenphantasiert.
  6. Alles klar, verstehe. Danke für die Klarstellung. Da bewegt sich das Gericht allerdings schon auf sehr dünnem Eis, nach dem Motto: Wenn Sie einen Warnschuß abgegeben hätten und das den Angriff nicht gestoppt hätte, dann hätten Sie aufgrund der Umstände gleichwohl noch einen Schuß auf den Täter abgeben können, der ebenso sicher den Angriff beendet hätte, wie wenn Sie ohne Warnschuß direkt auf den Täter geschossen hätten. Wer soll so etwas denn allen Ernstes mit einer Sicherheit beurteilen können, die dem "in dubio pro reo"-Grundsatz genügt???
  7. Ich verstehe zwar immer noch nicht ganz, warum und inwiefern die "räumliche Position der Beteiligten" für die Frage relevant sein könnte, ob ein Warnschuß mit gleicher Sicherheit den rechtswidrigen Angriff beendet hätte. Aber insgesamt hast du schon recht, dass jetzt man den Urteilstext abwarten muss. Wenn sich freilich herausstellen sollte, dass das LG Stade tatsächlich bewusst im Widerspruch zum OLG Celle und zum BGH entschieden hätte, wäre das allerdings schon ein ziemlicher Hammer.
  8. @ Gloeckner: Die von dir zitierten Passagen mit Hervorhebungen beziehen sich aber nicht auf die Frage eines Warnschusses, sondern auf die Frage, ob ein Schuß, bei dem auf die Beine gezielt worden wäre, den rechtswidrigen Angriff mit der gleichen Sicherheit beendet hätte. Dass das durch einen Warnschuß nicht der Fall gewesen wäre, steht für das OLG Celle fest, da der Täter selbst wenn er kurz stehengeblieben sein sollte, danach offensichtlich weitergelaufen ist. In der von dir zitierten Passage geht es darum, dass das OLG Celle die Frage aufwirft, 1.) ob der Täter überhaupt kurz stehengeblieben ist, denn wenn er das nicht wäre, dann wäre ein Zielen auf die Beine nach Meinung des OLG von vorneherein nicht als "gleichsicheres Mittel" in Frage gekommen. Diese Frage sollte mittels Zeugenaussagen geklärt werden (wobei das lächerlich ist, da auf die Zeugenaussagen der Mittäter verwiesen wird, die in dieser Frage wohl kaum glaubwürdig sein dürfte - abgesehen davon, dass das OLG den Mittätern mit dieser Argumentation gewissermaßen eine Blaupause geliefert hat, was sie sagen müssen, damit der Rentner verurteilt wird und sie als Familienmitglieder ggf. zivilrechtliche Entschädigung erhalten). 2.) ob es selbst für den Fall, dass der Täter kurz stehengeblieben wäre, ein "gleichsicheres Mittel" gewesen wäre, auf die Beine statt auf den Rücken zu zielen. D.h. ob man die Beine eines stehenden Täters mit der gleichen Wahrscheinlichkeit treffen kann wie seinen Rücken und ob ihn ein Treffer in die Beine mit der gleichen Sicherheit von der weiteren Flucht abgehalten hätte wie ein Treffer in den Rücken. Diese Frage wird zur Klärung an einen Waffensachverständigen verwiesen. Sollte der allen Ernstes beide Punkte bejaht haben, dann hätte er allerdings offensichtlich seinen Beruf verfehlt.
  9. Das OLG Celle kommt aber zu seiner Einschätzung aufgrund einer prinzipiellen Überlegung zur Rolle von "Warnschüssen" in Notwehrsituationen. Diese prinzipiellen Überlegungen sollten insofern gegenüber "anderen Erkenntnissen" zum Tatbestand im Detail resistent sein. Das LG Stade müsste schon gezeigt haben, dass ein Warnschuss den rechtswidrigen Angriff mit der gleichen Sicherheit beendet hätte wie der tödliche Schuss. Wie soll ein solcher Nachweis aber bitte geführt werden können? Das OLG Celle hat in seinen Ausführungen darauf hingewiesen, dass erst der dritte oder vierte Schuß ein Treffer war. Daher hätten die ersten beiden Schüsse de facto wie Warnschüsse gewirkt, so daß sicher davon ausgegangen werden konnte, dass auch ein als Warnschuß intendierter Schuß den Täter nicht zum Abbruch des rechtswidrigen Angriffs veranlasst hätte. Wie soll man angesichts dieser Konstellation zu "anderen Erkenntnissen" kommen?
  10. Im Prinzip könnte doch auch der Staatsanwalt zugunsten des Verurteilten Revision einlegen (nach §296 Abs. (2) StPO), oder nicht?! Wenn ja, dann hoffe ich, dass der Staatsanwalt die Traute hat, das durchzuziehen!
  11. Mal gerade zur Untermauerung des von mir Gesagten das einschlägige Zitat aus dem Urteil des OLG Celle: Bei der Prüfung der Erforderlichkeit der Notwehrhandlung ist nach ständiger Rechtsprechung beim Einsatz einer Schusswaffe zu berücksichtigen, dass der Angegriffene in der Regel gehalten ist, den Gebrauch der Waffe zunächst anzudrohen, oder, sofern dies nicht ausreicht, wenn möglich vor dem tödlichen einen weniger gefährlichen Einsatz zu versuchen (vgl. nur BGH, Beschluss vom 24. Juli 2001, 4 StR 256/01; BGH, NStZ 2012, 272). Im Hinblick auf den danach grundsätzlich zunächst abzugebenden Warnschuss ist aber zu berücksichtigen, dass ein solcher Warnschuss in der gegebenen Situation nicht sicher zur Beendigung des Angriffs geführt hätte. Die Täter waren bereits auf der Flucht und hatten das Haus des Angeschuldigten bereits verlassen oder waren gerade dabei. In dieser Situation hätten die Täter bei einem Warnschuss ihre Flucht fortsetzen und daher „im Dunkel der Nacht verschwinden können“, wie der BGH dies in einer ähnlichen Konstellation bereits ausgeführt hat, NStZ 2001, 590. Ein Warnschuss hätte also hier nicht sicher zur Beendigung des Angriffs geführt und möglicherweise keine weiteren Verteidigungsmittel mehr zugelassen, da die Täter dann hätten außerhalb des Schussfelds sein können, sodass dem Angeschuldigten dann keine weiteren Verteidigungsmittel zur Verfügung gestanden hätten. Ist das in der deutschen Rechtsgeschichte überhaupt schon einmal vorgekommen, dass die erste Instanz ihr Urteil auf eine Argumentation gründet, die von der höheren Instanz in derselben Sache schon einmal explizit verworfen worden ist??? Das ist schon wirklich spektakulär!
  12. Ich habe gerade mal in der FAZ nachgelesen: http://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/kriminalitaet/bewaehrungsstrafe-rentner-wegen-toedlicher-schuesse-auf-fliehenden-raeuber-verurteilt-13232364.html (jaja, ich liege halt mit 'ne Bronchitis und 'nem Laptop im Bett; da surft man einfach zu viel im Internet rum). Laut dem FAZ-Bericht begründet das Gericht sein Urteil damit, dass es dem Rentner vor dem tödlichen Schuss zumutbar gewesen sei, einen Warnschuß abzugeben. D.h. das ganze Urteil läuft offenbar über die altbekannte Schiene "nicht das mildeste Mittel gewählt". Das ist insofern ausgesprochen bemerkenswert, als das OLG Celle dieses Argument auf der Grundlage des Tatbestands in seinem Urteil bereits explizit zurückgewiesen hatte! Dementsprechend hat eine höhere Instanz die Begründung des Gerichts schon einmal verworfen. Das ist wirklich unfassbar. Was hat die Richter der unteren Instanz denn da bloß geritten?! Das wird langsam wirklich ein Fall für die juristischen Lehrbücher. Angesichts dieser Konstellation muss der Rentner geradezu in Berufung (oder Revision?) gehen!
  13. Und was soll uns das jetzt sagen? In dem Fall war's halt so. Der Anwalt, den ich eingeschaltet hatte, bearbeitete halt dutzende, wenn nicht hunderte Fälle gleichzeitig und widmete meinem Fall offenbar gerade mal fünf bis zehn Minuten Aktenstudium vor dem Beratungsgespräch. Da kann es ja vielleicht doch schonmal sein, dass ein juristischer Laie mit einer gewissen Vorbildung in Sachen Gesetzgebung (mehrere Jahre Referent im Deutschen Bundestag) durch die Lektüre der Gesetze und Kommentare auf eine bessere Idee kommt als der Herr Anwalt, auch wenn der 150 € die Stunde verlangt hat und was weiß ich wie lange studiert hat. Oder ist das gänzlich unmöglich und a priori ausgeschlossen? Übrigens schweifen wir gerade ziemlich ab.
  14. Allerdings, die Unfähigkeit der Anwälte in diesem Land ist manchmal erschreckend. Mir ist es auch mal so gegangen in einer Zivilrechtsangelegenheit (Versicherungsrecht). Da hatte ich mir nach kurzer Lektüre der einschlägigen Gesetze und Kommentare selbst eine Argumentation zurechtgelegt. Der Anwalt, den ich eingeschaltet habe, hat dann aber auf einer anderen Argumentation bestanden und ich habe ihm als juristischer Laie dummerweise vertraut. Am Ende habe wir verloren und knapp zwei Jahre später hat mir ein Richter, der an einem OLG für Banken- und Versicherungsrecht zuständig ist und den ich inzwischen privat kennengelernt hatte, bestätigt, dass wir den Fall mit meiner Argumentation fast sicher gewonnen hätten ... Ganz toll, unsere deutschen Anwälte.
  15. Ganz richtig, genau das ist der Knackpunkt, der letztlich zu seiner Verurteilung geführt hat. Besser wäre es in der Tat gewesen, er hätte gar nichts gesagt und erst einen Anwalt eingeschaltet. DAS sollte man den Leuten bei der Waffensachkunde als allererstes einbleuen!
  16. Und?! Beim Nachdenken über den Begriff "gegenwärtig" kam das OLG Celle juristisch korrekt zu der Auffassung, dass im Moment von der Schußabgabe durch den Rentner objektiv ein gegenwärtiger rechtswidriger Angriff auf dessen Eigentumsrecht gegeben war, weil er noch eine Chance hatte, die Verbringung des Diebesgutes aus seinem Zugriffsbereich zu unterbinden.
  17. Nein, das war sie eindeutig nicht. Bei einem Diebstahl gilt die Tat erst dann als beendet, wenn der Dieb das Diebesgut eindeutig dem Zugriff des Eigentümers entzogen hat. Die Notwehrsituation war also objektiv noch gegeben. Das Problem in diesem Fall war, dass der Rentner ausgesagt hat, er sei von einer Notwehrsituation ausgegangen, weil er einen Schuß gehört habe, von dem er ausging, er sei in seine Richtung abgefeuert worden. Dagegen habe er sich verteidigen wollen. Ein solcher Schuß war aber nicht abgegeben worden, so daß die subjektive Seite der Notwehrsituation, das "Handeln in Verteidigungsabsicht" nicht gegeben war. Hätte er demgegenüber ausgesagt, er habe den Täter erschossen, um sein Eigentum zu schützen, dann hätten die objektive Notwehrsituation (Diebesgut noch nicht "in Sicherheit" gebracht) und die subjektive Seite (Absicht, sein Eigentum in Notwehr zu verteidigen) übereingestimmt und er hätte auf jeden Fall freigesprochen werden müssen. So ganz klar und deutlich das OLG Celle. Die (vermutlich als Schutzbehauptung gemachte) Aussage, es wäre ihm um die Verteidigung gegen einen Schützen gegangen war also einfach dumm. Der Staatsanwalt ist nun davon ausgegangen, dass es glaubhaft gewesen sei, dass der Rentner in der chaotischen Situation meinte einen Schuß gehört zu haben (auch wenn faktisch keiner abgefeuert wurde). Daher ist er von Putativnotwehr ausgegangen und hat korrekterweise auf Freispruch plädiert. Warum das Gericht dem nicht gefolgt ist, ist mir völlig unklar und dem Spiegel-Artikel nicht zu entnehmen. Überhaupt kann der Artikel m.E. nicht richtig sein: wenn das Gericht tatsächlich davon ausgegangen wäre, dass es sich nicht um Putativnotwehr, sondern um Totschlag gehandelt hat, dann hätte das Strafmaß deutlich über 9 Monaten auf Bewährung liegen müssen. Was in dem Artikel steht, ist also völlig ungereimt. Hat das Gericht vielleicht eher auf "fahrlässige Tötung" o.ä. erkannt?! Man müsste dazu jedenfalls mal das Urteil selbst lesen. Nebenbei bemerkt wird der Fall vermutlich in die Jura-Lehrbücher eingehen: eine Situation, in der zwar objektiv eine Notwehrsituation gegeben war und auch subjektiv die Verteidigungsabsicht, bei der aber die Verteidigungsabsicht sich auf eine andere Situation bezog als die, die objektiv gegeben war, ist ziemlich ungewöhnlich und eine echte Herausforderung für Strafrechtsdogmatiker und Rechtsphilosophen.
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