Hier eine Antwort von Frau Dr. Mihalic mit dem heutigen Datum!
Sehr geehrter Herr ...,
vielen Dank für Ihre Mails zum Thema Waffengesetz. Und bitte entschuldigen Sie die späte Rückmeldung. Ich bemühe mich stets die Bürgeranfragen zeitnah zu beantworten, aber durch das hohe Arbeitsaufkommen schaffe ich es leider nicht immer.
Vielen Dank auch für Ihren Hinweis auf das Tragen von "Multitools" oder "Feuerwehrmessern" durch Feuerwehrleute, THW-Angehörige und andere Einsatzkräfte. Aus dem Gesetzestext geht nicht eindeutig hervor, ob das auch für solche Fälle, wie den von Ihnen geschilderten, gilt. Daher werden wir mit einer schriftliche Frage an die Bundesregierung Klarheit in diesem Punkt einfordern. Sobald eine Antwort darauf vorliegt, werde ich mich noch mal bei Ihnen melden und das Ergebnis mitteilen. Grundsätzlich gilt aber: An der neusten Gesetzesänderung habe ich - resp. meine Kolleginnen und Kollegen der grünen Bundestagsfraktion - keinen Anteil. Dieser kommt direkt von den Koalitionsfraktionen von CDU/CSU und SPD. Daher macht es durchaus Sinn, wenn Sie Ihre Kritik auch an die Kolleginnen und Kollegen der Großen Koalition richten.
Und noch eine kurze Anmerkung zu der von Ihnen angesprochenen Anhörung: Selten ist es so, dass alle angehörten Expert*innen dieselbe Meinung vertreten - so wie es eben auch in unserer Gesellschaft eine Vielzahl von Positionen zu bestimmen Themen gibt. Auch bei der Anhörung im November zur Änderung des Waffengesetzes gab es unterschiedliche Positionen der Sachverständigen. Diese Anhörungen sind Teil des Beratungsprozesses und bieten verschiedenen Interessengemeinschaften und Expert*innen eine Plattform. Da liegt es also nun im Auge des Betrachters, ob wir uns der Meinung der Sachverständigen angeschlossen haben oder nicht. Neue Gesetzesinitiativen oder Gesetzesänderungen stellen im eigentlichen Sinne legislative Anpassungen an aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen dar. Sie sollen Bürgerinnen und Bürgern, aber auch Verbänden, Händlern und Produzenten mehr Rechtssicherheit verschaffen, erkannte Missstände korrigieren oder auf sich verändernde Gefahren/Bedrohungspotentiale reagieren.
Wie erwähnt, können Sie Kritik an den neusten Änderungen des Waffengesetzes an die Abgeordneten der Fraktionen CDU/CSU und SPD richten, die dafür verantwortlich waren. Ich kann Ihnen aber gerne unsere Grünen Standpunkte dazu darlegen, sehr geehrter Herr ...: Wir Grünen setzen auf präventive Maßnahmen zur Minimierung der Gewaltkriminalität. Darunter fällen auch Maßnahmen, die den Zugang zu Waffen betreffen. Auch in Deutschland sterben Menschen infolge des Einsatzes legal in Besitz befindlicher Schusswaffen (Mord oder Selbstmord). Tödliche Familiendramen kommen in Deutschland häufiger vor, als allgemein angenommen wird. Tatsächlich sind die meisten Opfer eines Tötungsdelikts mit dem Täter entweder verwandt oder bekannt. Untersucht hat diese Fälle auch das Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht mit folgendem Ergebnis: "Man kann auf der Basis dieser Ergebnisse annehmen, dass in Deutschland jedes Jahr etwa 20 bis 25 Menschen bei einem Tötungsdelikt innerhalb der Familie oder Partnerschaft durch eine Schusswaffe im legalen Besitz des Täters sterben." Seit 1990 sind mehr als 240 Menschen mit Schusswaffen getötet worden, die von Sportschützen stammen - ohne Suizide. Hinzu kommt, dass auch gerade beim Selbstmord der legale Waffenbesitz eine erhebliche Rolle spielt, da sich insbesondere die Frage der Verfügbarkeit einer Waffe auf die Realisierungswahrscheinlichkeit auswirkt. Das Vorhandensein von Schusswaffen im Haushalt stellt eben einen besonderen Risikofaktor dar. In den Fällen, in denen junge Täter Schusswaffen verwendeten, stammen diese fast alle aus dem Besitz des Vaters, Großvaters oder Onkels und wurden nicht ordnungsgemäß gesichert. Für verantwortungsbewusste Waffenbesitzer muss es doch höchste Bürgerpflicht sein, Waffen sicher aufzubewahren. Ein unbekümmerter Umgang mit Schusswaffen ist wohl auch Teil des Problems.
Aus unserer Sicht sollte der gesetzgeberische Fokus auf regelmäßigen Eignungs- und Zuverlässigkeitsprüfungen für Waffenbesitzer gerichtet sein. Nur so kann eine signifikante Erhöhung der Sicherheit für Sportschützen, Jäger und Sammler selber sowie für alle anderen Bürgerinnen und Bürger ermöglicht werden. Außerdem brauchen wir endlich eine Regelung die gewährleistet, dass relevante Informationen der Sicherheitsbehörden, bei der Antragsprüfung hinreichend berücksichtigt und an die zuständigen Waffenbehörden weitergeleitet werden. Außerdem ist es derzeit so, dass weder eine einschlägige Verurteilung noch gesicherte Erkenntnisse der Behörden im gegenwärtigen System zuverlässig dazu führen, dass entsprechende Personen ihre Waffen zeitnah abgeben müssen. Hier sehen wir Handlungsbedarf.
Ein Handlungsschwerpunkt liegt für uns aber auch im Bereich illegale bzw. nicht registrierte Waffen. Selbstverständlich brauchen wir wirksame Ansätze, um den illegalen Waffenhandel und den illegalen Waffenbesitz zu bekämpfen. Allerdings spielen die Erwerbs- und Zugangsmöglichkeit zu den unterschiedlichen Waffentypen auch im Legalwaffenbereich eine wesentliche Rolle, da der Schmuggel und das Angebot an illegalen Waffen in jedem Fall davon beeinflusst werden.
Viele der illegalen Waffen, die im Umlauf sind, sind ehemalige Dekorationswaffen, die wieder scharf gemacht wurden. Deshalb ist eine lückenlose Registrierung von Dekowaffen, sowie eine Überprüfung der Zuverlässigkeit ihrer Besitzer in jeglicher Hinsicht sinnvoll. Aus demselben Grund fordern wir europaweit einheitliche Standards für die Deaktivierung von Feuerwaffen, da es sehr einfach ist für Kriminelle Dekowaffen im EU-Ausland, wo niedrigere Standards für die Deaktivierung gelten, zu kaufen und diese Waffen dann wieder scharf zu machen. Viele dieser illegal umgerüsteten Waffen gelangen in den Schwarzmarkt und werden zum Teil für schwerste Straftaten verwendet. Beispielsweise der Anschlag auf die Redaktion der Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“ wurde mit solchen Waffen verübt.
Ein weiteres Problem ist die stetig steigende Zahl, der gestohlenen bzw. abhandengekommen Waffen. Laut Antworten der Bundesregierung waren zwischen dem 31.01.2016 und dem 31.01.2018 insgesamt 1.617 (bzw. ca. 800 pro Jahr) „als gestohlen“ gemeldet registriert worden. Auch die „als abhandengekommenen“ gemeldeten Waffen können in die falschen Hände (Reichsbürger, Kriminelle, Extremisten etc.) geraten – manche davon werden wohl auch gestohlen worden sein, auch wenn das im Einzelfall nicht mehr festzustellen ist. Auf europäischer Ebene sind die Zahlen noch besorgniserregender. Hier ist der Verbleib von nahezu einer halben Million Schusswaffen ungeklärt, die verloren gegangen sind oder gestohlen wurden. Das macht deutlich, dass Maßnahmen zur Eindämmung des illegalen Waffenhandels allein nicht ausreichen, sondern dass sehr wohl Zugang, Aufbewahrung, Kontrollmöglichkeiten von Legalwaffen genauso in aktuellen Sicherheitsdiskussion zu berücksichtigen sind.
Legalwaffenbesitzer liefern gerne eine Selbsteinschätzung mit und beschreiben sich wahlweise als rechtschaffend, Steuern zahlend und gesetzestreu. Nun, zum Einen sind das keine Eigenschaften, die ich als besonders Hervorhebens wert ansehe, da ich sie für selbstverständlich halte. Zum Anderen gehe ich sehr wohl davon aus, dass sich die überwiegende Mehrheit der Legalwaffenbesitzer gesetzestreu verhält. Aber - und da werden sie mir sicher beipflichten - ist die Gefahr, die von Schusswaffen ausgeht und der Schaden, der damit angerichtet werden kann, wenn sie sich eben nicht in rechtstreuen und umsichtigen Händen befinden, entsprechend hoch. Leider ist dies häufiger der Fall als es viele Waffenbesitzer wahr haben wollen.
Mit freundlichen Grüßen
Irene Mihalic
Dr. Irene Mihalic
Mitglied des Deutschen Bundestages
Fraktion BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN
Sprecherin für Innenpolitik