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Waffenrecht in den USA mit und nach Trump


J.D.

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Mittleres Erdbeben in Washington: Wäre das Inkrafttreten des Urteils nicht bis zu einer (hypothetischen) endgültigen Entscheidung durch den full court ausgesetzt, müßte seit heute nacht jeder unbescholtene Antragsteller in der U.S.-Hauptstadt einen Waffenschein ausgestellt bekommen (shall issue). Die Berufungsinstanz des Bundes für den District of Columbia erklärte in Grace et al. v. District of Columbia die Voraussetzung, ein "besonderes Bedürfnis" für die Erteilung einer Trageerlaubnis nachweisen zu müssen, für nichtig.

 

Washington D.C. hat de facto noch strengere Waffengesetze als die BRD. Zwischen 1976 und 2008 herrschte ein kategorisches Kurzwaffenverbot. Seit 2008 (Heller-Jahr) dürfen immerhin nur solche Kurzwaffen erworben und besessen werden, die auf einer von der Obrigkeit zu führenden (und stetig zusammenzustreichenden) "Erlaubt-Liste" stehen (Vorbilder: Massachusetts, Kalifornien, teilweise Maryland). Anscheins-Halbautomaten, NFA items, "große" Magazine > 10 Schuß – Erwerb und Besitz sämtlichst verboten. Alle privat besessenen Waffen müssen beim Metropolitian Police Department registriert werden, vor jedem Erwerb eine separate Erlaubnis eingeholt werden. Zoning laws (baurechtliche Bestimmungen) sorgen dafür, daß innerhalb von D.C. sich keine Waffenhändler oder Büchsenmacher ansiedeln dürfen. Es gibt tatsächlich einen einzigen, der seine "Geschäftsräume" praktischerweise direkt im Gebäude der Metropolitan Police hat und für 125 US$ pro Vorgang den unter Polizeiaufsicht stattfindenden Transfer von zwangsläufig bei Händlern in Virginia, Maryland oder sonstwo georderter Ware abwickelt.

 

Die Entscheidung des Drei-Richter-Panels war 2-1 gespalten. Abweichend von der Mehrheit schreibt Richterin Henderson in ihrem dissent, daß der "Kern" des zweiten Verfassungszusatzes sich nicht über die Grenzen der eigenen vier Wände erstrecken würde; "Keep and bear arms" bedeutete unter dieser Lesart dann vermutlich Milizdienst in Küche & Wohnzimmer (nicht mehr jedoch auf der Veranda oder im Garten, das ist zumindest die aktuelle Situation in Kalifornien).

 

D.C. argumentierte nicht zuletzt, daß seine de facto-Führverbote verfassungskonform seien, weil solche Gesetze longstanding, d.h. seit langer Zeit und zu unterschiedlichen Epochen dem Charakter nach im englischen Gewohnheitsrecht verwurzelt seien. Dieser Punkt ist kritisch im Common Law; jedes Gesetz, das an diesem Test scheitert, hat *normalerweise* nur geringe Aussichten, die richterliche Normenkontrolle zu überleben. Dabei half es nicht, daß sich die nun unterlegene Hauptstadt auf einen eher obskuren Präzedenzfall aus dem England des 13. Jahrhunderts (!) stützte: Die sog. Southampton Statute of Arms (Statuta Armorum) erließ ca. 1260 König Heinrich III., und die bestimmte, daß Ritter bei Turnieren in Gegenwart des Monarchen nur bis zu drei Waffenknechte und außer einem Breitschwert keine sonstigen Waffen mitführen dürfen; desgleichen Edelmänner im Rang eines Baron oder Earl und deren männliche Stammhalter; wer dagegen verstößt, muß das Pferd, auf dem er an jenem Tag reitet, weggeben und mit bis zu einem Jahr Gefängnis rechnen (Gemeine mit bis zu sieben Jahren). Die Statuta Armorum ist nicht lang und leicht lesbar.

 

Daß die Bundesgerichte diese Art von Argumenten nun zurückweisen, stimmt vorsichtig optimistisch; In Kalifornien, wo derzeit Nichols v. Brown vor der Berufungsinstanz des 9th Circuit anhängig ist, argumentiert der Sunshine State analog, um seine Führverbote aufrechtzuerhalten. Bereits in dem 2016er en banc-Urteil des seit Juni diesen Jahres endgültig toten Peruta-Prozesses meldete der beileibe dem zweiten Verfassungszusatz nicht freundlich zugetane Chief Judge Sidney Thomas während der mündlichen Verhandlung Zweifel an, was die Relevanz solcher königlichen Erlasse für die Präzedenzkette angeht.

 

D.C. kann jetzt eine nochmalige en banc-Anhörung vor elf Richtern des D.C. Appeals Court beantragen oder aber gleich Verfassungsbeschwerde beim Supreme Court einlegen. Bis diese Fragen geklärt sind, bleiben die alten, nunmehr für ungültig erklärten Regelungen hilfsweise weiter in Kraft.

 

 

 

Dec. by Fed. Appeals Court D.C. Circuit - Wrenn et al.pdf

Bearbeitet von J.D.
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