Zum Inhalt springen
IGNORED

"The Alternative" Geschossairbag...


SchwererReuther

Empfohlene Beiträge

19.02.15, 09:24

Neues Projektil US-Polizei probiert "Kugeln mit Airbag" aus

Nach dem Tod von Michael Brown in Ferguson testet die Polizei in Missouri Pistolen mit neuen Projektilen. Die Technik soll seltener tödlich sein. Doch Kritiker nennen die Erfindung "gefährlich".

Von Michael Remke, New York

Als der schwarze Teenager Michael Brown am 9. August des vergangenen Jahres in Ferguson, Missouri, von einem weißen Polizisten erschossen wurde, löste das Proteststürme in Amerika aus. Wochenlang gingen Menschen auf die Straße und demonstrierten gegen die ihrer Meinung nach rassistisch motivierte Polizeigewalt in den USA. Sie forderten Gerechtigkeit für das 18-jährige Opfer und eine Anklage gegen den Todesschützen.

Auch US-Präsident Barack Obama schaltete sich damals in die Tragödie ein. Er wies seinen Justizminister Eric Holder nicht nur an, den Fall und die anhaltende Polizeigewalt vor allem gegen Schwarze zu untersuchen. Obama forderte auch Vorschläge, wie künftig solche fatalen Zwischenfälle verhindern werden können.

Viel passiert ist bisher nicht. Darren Wilson, der Polizist, der Brown laut einer Autopsie mit insgesamt sechs Schüssen getötet hatte, ist bis heute straffrei geblieben. Im November lehnte eine Grand Jury einen Prozess gegen den 28-Jährigen ab. Eine Entscheidung, die erneut zu teils gewalttätigen Demonstrationen führte. Doch mittlerweile ist die Diskussion fast gänzlich verstummt.

Große Schmerzen, aber keine inneren Verletzungen

Knapp sechs Monate nach dem Tod von Brown experimentiert die Polizei von Ferguson jetzt mit einer neuen Pistolentechnik, die das Leben des Jugendlichen vielleicht hätte retten können. Die "Alternative" heißt die Konstruktion und ist ein orangefarbener Aufsatz, der beim Abfeuern der Waffe die austretende Kugel in einer Kammer auffangen und so stark verlangsamen soll, dass sie nicht mehr tödlich wirkt. Die Konstruktion erinnert dabei ein bisschen an den Aufsatz, den auch Spielzeugpistolen in den USA haben müssen.

Die Erfinderfirma aus Kalifornien, "Alternative Ballistics", preist ihr Patent als "Airbag für die Kugel" an. Der "Lebensretter", der innerhalb von wenigen Sekunden auf die Dienstpistole montiert werden kann, soll dabei selbst aus kurzer Entfernung nur "große Schmerzen bei den Getroffenen, aber keine inneren Verletzungen wie herkömmliche Kugeln" verursachen. Das Schlimmste, was passieren kann, sind laut "Alternative Ballistics" ein "paar gebrochene Rippen". Bisher allerdings wurde die Technik nur an Schaumstoff- und Gummiattrappen und noch nicht am Menschen erprobt.

Insgesamt fünf Polizisten sollen jetzt an der "Alternative" trainiert werden und die Technik im alltäglichen Gebrauch testen. Verläuft der erste Versuch erfolgreich, soll er auf die gesamte Ferguson-Belegschaft von 55 Beamten ausgeweitet werden. Der Aufsatz kostet pro Stück 45 Dollar.

"Die Technik gibt uns eine weitere Option im täglichen Einsatz", sagte der stellvertretende Polizeichef von Ferguson, Al Eickhoff, gegenüber dem "Guardian". "Wir sind immer auf der Suche nach neuen Ideen, die Leben retten können." Eickhoff selbst will die "Alternative" bereits getestet haben. Sein Urteil: "Ich finde sie gut."

Vor jedem Gebrauch neu montieren

Nicht alle Kollegen sind von der Konstruktion begeistert. "Die Polizeibeamten werden durch die Technik einer unnötigen Gefahr ausgesetzt", sagte der frühere Polizeichef von Springfield in Missouri, Steve Ijames, in der "Washington Post". Was den heutigen Ausbilder stört, ist vor allem, dass die "Alternative" jedes Mal neu auf die Dienstwaffe aufgesetzt werden müsse. Das dauere laut Hersteller zwar nur wenige Sekunden, doch genau in dieser Zeit könnte das Leben des Beamten auf dem Spiel stehen.

"Ich habe nichts dagegen, dass Kugeln weniger tödlich sind", so der heutige Polizeitrainer. "Unsere Leuten dürfen dadurch aber nicht selbst in Gefahr kommen."

Dabei hat die neue, möglicherweise lebensrettende Technik nicht nur das Problem, dass sie per Hand und vor jedem Gebrauch auf die Waffe montiert werden muss. Ist der Angreifer nach dem ersten "weichen Schuss" nicht außer Gefecht gesetzt, müsste der Polizist für den zweiten die "Alternative" erneut installieren. "Das ist verwirrend und problematisch", sagte Neil Franklin, ein Polizeiausbilder von Baltimore, im "Guardian". Die "Alternative" sei nur gut für den ersten Schuss. "Wir unterrichten aber nicht so", sagte Franklin. "Unsere Beamten werden darauf gedrillt, in kurzer Zeit gleich zweimal zu schießen, da der erste Schuss danebengehen könnte."

Diese Probleme der Ausbilder sieht auch der stellvertretende Polizeichef Eickhoff: "Die 'Alternative' wird nicht immer eine Option für unsere Beamten sein. Jede Situation ist anders. Doch wenn genug Zeit bleibt, den Aufsatz zu benutzen, können wir damit Leben retten."

"Dümmste Kugel aller Zeiten"

Im Internet löste die neue Technik vor allem unter Waffenliebhabern eine Diskussion aus. Sie lehnen den "Airbag für die Kugel" ab. Ein Blogger nannte die Erfindung "entsetzlich und beängstigend" und die "schlimmste seltener tödliche Erfindung ". Ein anderer nannte sie "die dümmste Kugel aller Zeiten".

Doch nicht nur Amerikas Waffenfreunde haben Bedenken, selbst Amnesty International (AI) sieht die "Alternative" kritisch. "Wir unterstützen jeden Versuch, das Risiko von Toten und Verletzten durch den Gebrauch von Polizeiwaffen zu minimieren", sagte der AI-US-Chef Steven Hawkins. "Wir haben aber Bedenken bei dem Gebrauch sogenannter seltener tödlicher Waffen."

Hawkins betonte, dass selbst der "Einsatz von Polizei-Teasern zwischen 2001 und 2012 mehr als 500 Menschen in den USA getötet" hat.

Bleibt die Frage, ob Michael Brown durch die "Alternative" hätte überleben können. Der Teenager wurde laut der Autopsie von insgesamt sechs Kugeln getroffen. Die ersten fünf konnten ihn nicht stoppen, erst das sechste Geschoss tötete den Jugendlichen. "Er wäre vermutlich auch durch die neue Technik nicht aufgehalten worden", so Polizist Eickhoff. "Der Beamte hätte dann vermutlich weitere Schüsse abfeuern müssen."

Und die wären durch den "Airbag für die Kugel" nicht gebremst worden.

© Berliner Morgenpost 2015 - Alle Rechte vorbehalten
Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Mit Sicherheit interessant. Ich kann mich dunkel daran erinnern, daß es früher mal Versuche mit mit Bleischrot gefüllten Beuteln als Geschoß gab, die sich durch den Drall nach der Mündung zu flachen Scheiben drehten und auch einen umwerfenden Effekt hatten.

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Mit Sicherheit interessant. Ich kann mich dunkel daran erinnern, daß es früher mal Versuche mit mit Bleischrot gefüllten Beuteln als Geschoß gab, die sich durch den Drall nach der Mündung zu flachen Scheiben drehten und auch einen umwerfenden Effekt hatten.

Du meinst BeanBags.

Sind noch heute sehr beliebt bei US Polizei. Sehr gute Wirkung und geringe Abprallergefahr.

Federal EFMJ haben im Prinzip auch einen Airbag eingebaut. Ein tolles Kurzwaffengeschoss.

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Dein Kommentar

Du kannst jetzt schreiben und Dich später registrieren. Wenn Du ein Konto hast, melde Dich jetzt an, um unter Deinem Benutzernamen zu schreiben.
Hinweis: Dein Beitrag muss vom Moderator freigeschaltet werden, bevor er sichtbar wird.

Gast
Auf dieses Thema antworten...

×   Du hast formatierten Text eingefügt.   Formatierung jetzt entfernen

  Nur 75 Emojis sind erlaubt.

×   Dein Link wurde automatisch eingebettet.   Einbetten rückgängig machen und als Link darstellen

×   Dein vorheriger Inhalt wurde wiederhergestellt.   Editor leeren

×   Du kannst Bilder nicht direkt einfügen. Lade Bilder hoch oder lade sie von einer URL.

×
×
  • Neu erstellen...

Wichtige Information

Bitte beachten Sie folgende Informationen: Nutzungsbedingungen, Datenschutzerklärung, Community-Regeln.
Wir haben Cookies auf Deinem Gerät platziert. Das hilft uns diese Webseite zu verbessern. Du kannst die Cookie-Einstellungen anpassen, andernfalls gehen wir davon aus, dass Du damit einverstanden bist, weiterzumachen.