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Unter Beschuss: Warum Deutschland in Afghanistan scheitert


Jochen R.

Empfohlene Beiträge

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Unter Beschuss: Warum Deutschland in Afghanistan scheitert

Von Marc Lindemann

Dieses Buch wurde vom User "piffpaff" empfohlen. Vielen Dank dafür!

Das Buch von Marc Lindemann "Unter Beschuss - Warum Deutschland am Hindukusch scheitert" macht definitiv beim Lesen schlechte Laune- warum also empfehle ich es trotzdem?

Zum einen ist es, da erst im Januar 2010 erschienen, eines der aktuellsten Bücher über das deutsche Engagement in Afghanistan. Der Autor hat sich auch besonders bemüht, das Buch sehr aktuell zu gestalten und z.B. der von Oberst Klein befohlenen Bombardierung der Tanklaster in Kunduz (in den letzten Monaten durch die Presse gewaltzt, juristisch mit der Einstellung der Ermittlungen inzwischen abgefrühstückt, aber politisch noch durch einen Untersuchungsausschuß auf kleiner Flamme am Köcheln gehalten) einen breiteren Raum eingeräumt.

Aber es ist nicht nur relativ aktuell, sondern von den vielen Büchern über Afghanistan auch eines der vielseitigsten bzw. vielschichtigsten. Hier vereint sich der Überblick eines Nachrichtenoffiziers (dazu später mehr) mit den geostrategischen Erläuterungen eines sicherheitspolitisch Gebildeten und Interessierten sowie den Erfahrungen eines Soldaten. Dadurch wird der Horizont des Buches viel weiter als ein "nur" aus der Truppensicht geschriebenes Buch (hier halte ich meine Empfehlung für das umstrittene Buch "Endstation Kabul" weiterhin voll aufrecht); die Erlebnisse des Soldaten Lindemann verhindern jedoch, dass hier eintrockenes, lediglich dozierendes Werk entstanden wäre.

Inhaltlich findet man hier sehr interessante Ausführungen zu dem schwierigen Geschäft der Nachrichtengewinnung, den z.T. hahnebüchenden Bedingungen, unter denen versucht wird, Informationen und Informanten zu gewinnen. Treffsichere Beschreibungen der komplizierten Rahmenbedingungen in dem tribalistischen und ethnisch sehr diversifierten Land runden das Ganze ab.

Besonders schwer zu schlucken sind die Darstellungen zu den mannigfaltigen Fehlern der Vergangenheit und Gegenwart, mit denen die hier nur als selbstgerecht, naiv, überbürokratisiert und gutmenschlich-dümmlich agierenden deutschen Behörden, von Bundeswehrführung über Auswärtiges Amt, Entwicklunsghilfeministerium und natürlich die Politik die gute Ausgangslage im deutschen Einflußbereich völlig in den Dreck gefahren haben.

Auch die allzugut bekannten Floskeln wie "Präsenz zeigen" etc. analysiert Lindemann schonungslos, ohne polemisch zu werden. Seine sachlichen Ausführungen wirken hier härter und erbarmungsloser als Beschimpfungen, hinterlassen den Leser aber oft in einem Zustand der ohnmächtigen Wut, auf jeden Fall aber ziemlich desillusioniert.

Neben Bürokratie, Kompetenzzerfaserung und Beschreibung verschiedenster anderer Mißstände von Ausrüstung bis zur Befehlskette finden sich auch sehr fundierte Auswertungen bzgl. der diversen Gegner, die die deutschen Soldaten in Afghanistan bedrohen- hierzu sei nur angemerkt, dass ein weltfremder "Gewalt ist nie und niemals eine Lösung"- Ansatz nicht der Lindemanns ist - dazu ist er zu sehr Realist.

Eines der besten, wenn nicht das beste Buch über den Einsatz in Afghanistan, welches zusätzlichen Reiz daraus schöpft, dass es von einem Reservisten geschrieben wurde.

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