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aus dem aktuellen Pressernewsletter der Liberalen

SILVANA KOCH-MEHRIN und GESINE SCHWAN im Doppelinterview für die „Bunte“ (28.04.2009)

Brüssel/Berlin. Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa (ALDE), Vorsitzende der FDP im Europaparlament und Spitzenkandidatin zur Europawahl, DR. SILVANA KOCH-MEHRIN, und die Präsidentschaftskandidatin der SPD, PROF. DR. GESINE SCHWAN, gaben der „Bunten“ (aktuelle Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte KERSTIN JÄCKEL:

Frage: Sie sind beide Powerfrauen. Wie verbinden Sie Familie und Beruf?

KOCH-MEHRIN: Mein Mann James und ich kommen beide aus Familien, in denen es selbstverständlich war, dass alle zu Hause mithelfen. Daher war für uns Familie von Anfang an ein gemeinsames Projekt. Es ist auch gar nicht anders möglich. Interessant ist aber, dass ich immer wieder gefragt werde, wie ich Familie und drei Kinder unter einen Hut bekomme. James stellt man diese Frage nie.

SCHWAN: Ich war in dieser Hinsicht auch sehr verwöhnt. Mein erster Mann Alexander hat immer gewollt, dass auch ich berufstätig bin, obwohl das in seiner Generation, er war ja zwölf Jahre älter als ich, nicht selbstverständlich war. Er hat Frühstück für uns und die Kinder gemacht und Aufgaben übernommen, die ich ihm aufgetragen habe. So gesehen: Ich war verantwortlich und er hat geholfen.

Frage: Sie haben beide 2004 in schwierigen Situationen erstmals kandidiert. Werden Frauen ins Rennen geschickt, wenn die Gefahr des Scheiterns besteht?

KOCH-MEHRIN: Meine Kandidatur im Jahr 2004 war ein klares Signal dafür, dass wir als FDP keine ausgedienten Bundespolitiker nach Europa entsorgen. Ich war mit meiner Beratungsfirma in Brüssel schon aktiv und hatte die nötigen Fachkenntnisse. Das war für mich der ausschlaggebende Punkt.

SCHWAN: Ich denke schon, dass Frauen eher bereit sind, in aussichtslosen oder zumindest schwierigen Situationen zu kandidieren, das Risiko des Scheiterns einzugehen. Vielleicht weil sie mit Scheitern anders umgehen und sich nicht hauptsächlich durch ihren Erfolg definieren.

KOCH-MEHRIN: Das glaube ich nicht. Die wenigen Frauen, die es bisher in Führungspositionen geschafft haben, definieren sich genauso stark über den Beruf – und erleben Scheitern demnach genauso brutal. Aber Kandidatinnen für das Amt des Bundespräsidenten gab es doch immer wieder. Zum ersten Mal 1979 mit Annemarie Renger.

SCHWAN: Aber tatsächlich waren das immer Kandidaturen, bei denen es quasi aussichtslos war, wie auch bei meiner Kandidatur 2004. So gesehen ist meine jetzige Kandidatur die erste Kandidatur einer Frau für das Amt des Bundespräsidenten, die erfolgreich sein kann. Es hat ja noch nie eine Bundespräsidenten-Wahl gegeben, bei der die abgegebenen Stimmen mit der Fraktionsstärke des Kandidaten identisch waren, es gab immer abweichende Voten. Schließlich ist es eine geheime Wahl, und die ist diesmal denkbar knapp.

KOCH-MEHRIN: Das sehe ich anders. Von der FDP werden Sie jedenfalls keine einzige Stimme bekommen. Sie setzen ja auch auf Rot-Rot-Grün, also die Stimmen von SPD, Grünen und der Linkspartei.

SCHWAN: Das stimmt nicht. Ich habe immer deutlich gemacht, dass ich meine Kandidatur als eine überparteiliche verstehe.

Frage: Sehen Sie die Gegenkandidatur von Frau Schwan grundsätzlich kritisch?

KOCH-MEHRIN: Ja. Es wäre eine andere Situation, wenn jemand seine Amtszeit beenden und die Bundesversammlung einen neuen Präsidenten wählen würde – so wie vor fünf Jahren. Aber jetzt haben wir einen im In- und Ausland hoch angesehenen, in der Bevölkerung sehr beliebten und über Parteigrenzen hinweg anerkannten Bundespräsidenten, der eine zweite Amtszeit anstrebt. Und ich halte es nicht für notwendig und auch nicht für gut, den amtierenden Bundespräsidenten mit einer parteipolitischen Gegenkandidatur anzugreifen.

SCHWAN: Ich finde es höchst interessant, dass Sie eine Kandidatur in einer demokratischen Wahl als Angriff, fast als Majestätsbeleidigung bezeichnen. Ein Bundespräsident ist immer beliebt, das sagt also erst mal nicht viel aus.

Frage: Befürchten Sie einen Effekt auf die Bundestagswahl?

SCHWAN: Nein, wieso?

KOCH-MEHRIN: Weil Sie mit Ihrer Kandidatur zeigen, wie sehr die SPD auf ein rot-rot-grünes Bündnis setzt. Etwas, das die SPD auf Bundesebene bislang immer abgelehnt hat. Somit geht von der Bundespräsidentenwahl auch das Signal aus, ob die SPD in der Frage nach möglichen Koalitionspartnern glaubwürdig ist.

SCHWAN: Ich wehre mich dagegen, die Bundespräsidentenwahl und die Bundestagswahl in einen Zusammenhang zu stellen. Das Amt des Bundespräsidenten hat einen eigenen Wert – und auch die Wahl für dieses Amt sollte als eigenständiger Vorgang betrachtet werden – nicht als parteitaktisches Instrument für die nächste Bundestagswahl. Bei dieser wird es keine rot-rot-grüne Koalition, sondern eine schwarz-gelbe, eine große, eine Ampel- oder eine Jamaika-Koalition geben. Wobei ich die letzten beiden Varianten als die wahrscheinlichsten einschätze. Aber ich stehe für keines dieser Lager.

KOCH-MEHRIN: Ich kann Ihre Logik nicht nachvollziehen, dass Sie in der Bundesversammlung aus parteitaktischen Gründen auf rot-rot-grüne Stimmen für das höchste Amt im Staate setzen, aber Rot-Rot-Grün für eine Koalition auf Bundesebene ausschließen.

Frage: Am 7. Juni ist Europawahl. Ist die EU demokratisch?

KOCH-MEHRIN: Das Hauptproblem ist, dass einige Verfahren und Konstellationen auf europäischer Ebene nicht demokratischen Grundprinzipien entsprechen: Das Parlament wird aus nationalen Quoten gebildet und kann keine klaren Verantwortlichkeiten schaffen. Es gibt keine Regierungsmehrheit, stattdessen eine EU-Kommission, deren Mitglieder von den nationalen Regierungen gestellt werden und niemandem Rechenschaft schuldig sind – also eine Behörde, die autark Gesetze auf den Weg bringen kann. Besser wäre auf EU-Ebene eine klare Gewaltenteilung und mehr direkte Einflussnahme der Bürger. So sollten grundlegende EU-Fragen auch in Deutschland durch Referenden entschieden werden.

SCHWAN: Ich bin generell auch für eine stärkere Beteiligung der Bürger – zumal Bürgerbegehren ja auch eine gesellschaftliche Diskussion entfachen. Aber statt noch mehr Abstimmungen einzuführen, sollten wir mehr auf gesellschaftliches und politisches Engagement setzen.

Frage: Hört Frauensolidarität bei politischen Wahlen auf?

SCHWAN: Ich würde nie eine Frau wählen, nur weil sie eine Frau ist, wenn ich politisch nicht mit ihr übereinstimme. Das erwarte ich auch nicht von anderen. Aber ich würde eine Frau wählen, wenn ich von ihr einen anderen Stil erwarte. Einen nicht mehr so

konkurrierenden, sondern einen zusammenhaltenden Führungsstil – und den finde ich häufiger bei Frauen.

KOCH-MEHRIN: Das eine hat doch mit dem anderen nichts zu tun! Wenn zwei Leistungssportlerinnen beim 100-Meter-Lauf gegeneinander antreten und jede gewinnen will, zeigt das ja auch keine fehlende Frauensolidarität. Das ist die Konkurrenz im Job. Frauensolidarität zeigt sich am Rande des Wettbewerbs – in der Fairness des Umgangs.

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