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zeit.de Paintball - Verbot


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ZEIT ONLINE - 08. Mai 2009

http://www.zeit.de/online/2009/20/paintbal...bot-waffenrecht

P A I N T B A L L - V E R B O T

Ein Sieg für die Waffenlobby

Als Konsequenz aus dem Amoklauf von Winnenden will die Große Koalition Paintball

verbieten. Das Waffenrecht rührt sie kaum an – und setzt auf sinnlose Symbolpolitik

VON MARKUS HORELD

Große Zufriedenheit herrscht dieser Tage bei den Innenpolitikern der Großen

Koalition. Nach wochenlangen Beratungen wollen sie endlich die richtige Antwort

auf die Frage gefunden haben, welche Konsequenzen der Staat aus dem

Amoklauf von Winnenden zu ziehen habe.

Wer allerdings gehofft hatte, die Großkoalitionäre würden das Nahe liegende

tun und verhindern, dass Jugendliche überhaupt noch tödliche Schusswaffen

in die Hände bekommen, der darf sich wundern: Es wird weiterhin erlaubt sein,

großkalibrige Waffen im heimischen Waffenschrank zu lagern. Auch der Vorschlag,

wenigstens die Munition aus Privatwohnungen zu verbannen, ist vom Tisch.

Jugendliche dürfen weiter im Schützenverein das Zielen üben, ab 18 Jahren gern

auch mit großkalibrigen Waffen.

Statt der Sportschützen und ihren scharfen Waffen haben die Großkoalitionäre

ein anderes Übel ausgemacht: Paintball-Spieler, die sich in leer stehenden

Industriehallen mit Farbmunition beschießen. Geht der Vorschlag der

Innenexperten von SPD und Union noch im Mai durchs Parlament, was

wahrscheinlich ist, wird Paintball künftig verboten sein. Wer es dennoch spielt,

begeht eine Ordnungswidrigkeit und muss bis zu 5000 Euro Strafe zahlen.

Bloß kein blinder Aktionismus – das war die einhellige Meinung der Innenpolitiker

aller Parteien nach der Bluttat von Winnenden. Doch genau das ist es jetzt

geworden. Mit dem Paintball-Verbot setzt die Große Koalition auf sinnlose

Symbolpolitik.

Denn Paintball, von dem SPD-Mann Wiefelspütz behauptet, es sei sittenwidrig,

ist nichts anderes als eine moderne Variante des uralten "Räuber und Gendarm".

Dass sich Menschen in solchen Spielen messen, ist natürlicher als jeder Top-

Model-Wettbewerb. Wenn eine Gesellschaft Spiele wie Paintball toleriert, spricht

das nicht für ihre angebliche Kriegslüsternheit, sondern nur dafür, dass sie

es geschafft hat, den urmenschlichen Drang, sich mit anderen zu messen, in

geregelte und ungefährliche Bahnen zu lenken. Fechten und Boxen sind nichts

anderes.

Paintball wird gespielt von Anwälten und Ärzten, von Bauarbeitern und Bankern.

Gern werden die Hallen im Rahmen von Managerseminaren gebucht, um die

Teamfähigkeit des Führungspersonals zu trainieren. Entscheidend ist aber: Kein

Jugendlicher kann durch das Spiel zu einem Amoklauf animiert werden, denn

erlaubt ist Paintball in Deutschland erst von einem Alter von 18 Jahren an.

Nicht zu Unrecht sehen sich die rund 20.000 Paintball-Spieler in Deutschland jetzt

als Bauernopfer einer Politik, die nach dem Amoklauf Ergebnisse vorweisen muss.

Denn ursächlich dafür, dass die Schießerei mit Farbkügelchen bald verboten sein

wird, ist weniger die Aggressivität des Spiels als vielmehr die der Schützenlobby.

Sehr erfolgreich hat sie in den vergangenen Wochen Einfluss auf die Politik

genommen, Parlamentarier und Medien mit Briefen und Mails bombardiert, vor

einem Generalverdacht gewarnt und jede noch so schwache Einschränkung des

Waffenrechts als unverhältnismäßig abgelehnt. Allein der Plan, Waffen künftig mit

biometrischen Sperren zu sichern, wurde von den Schützen akzeptiert – wohl auch

deshalb, weil die Technik noch weit von einer Serienreife entfernt ist.

Das geplante Paintball-Verbot sagt also viel aus über den Einfluss der Waffen- und

Schützenlobby auf den Bundestag. Nur wenige Monate vor der Bundestagswahl

will es sich keine Partei, egal ob links oder rechts, mit den wahlberechtigten

Waffenträgern verscherzen. Sie stellen rund 10 Prozent der 60 Millionen

Wahlberechtigten und können eine knappe Wahl damit durchaus entscheiden.

Wenngleich bislang noch jeder tödliche Amoklauf mit einer großkalibrigen

Schusswaffe verübt wurde, konnten sich die Verehrer dieser todbringenden

Technik sehr erfolgreich des Generalverdachts erwehren. Der wird stattdessen

den Paintball-Spielern entgegengebracht. Nicht weniger sinnfrei wäre es gewesen,

Wasserpistolen und Faschingsknarren einzukassieren. Sicher ist nach dem

Paintball-Verbot nur eines: Kein einziger Amoklauf wird dadurch verhindert werden.

ZEIT ONLINE 2009

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