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IGNORED

Erneutes Anschreiben an MdB Thomas Bareiß


Württemberger

Empfohlene Beiträge

Sehr geehrter Herr Bareiß,

Vielen Dank für die zügige und ausführliche Antwort, zeigt sie mir doch, dass Sie mein Anliegen ernst nehmen.

Ich stimme vollkommen überein, dass jedwede Debatte zum Thema Waffenrecht auf sachlicher Ebene geführt werden muss. Genau hier beginnt meine Sorge:

Während Sie in Ihrem Schreiben die Hintergründe in der Verzweiflung und dem Hass bezeichnen wird auf anderer (politischer) Ebene an Symptomen gearbeitet.

Ich sehe vollkommen ein, dass die Anliegen aller Bürger von Ihnen und Ihren Kollegen ernst genommen werden müssen, auch die verzweifelten Rufe der Eltern von Winnenden, die in einem Verbot von Waffen, "Killerspielen" und Gewalt in den Medien einen Weg sehen solchen Taten entgegenzuwirken.

Leider reizt das, was verboten ist, bekanntlich am meisten und so bin ich der festen Überzeugung, dass alle Verbote in diesen Bereichen nur eine Verlagerung der Probleme in die Illegalität, nicht aber eine dauerthafte Dezimierung derselben zur Folge haben.

Viel wichtiger scheint mir jede Unterstützung, die die Politik im Hinblick auf ein funktionierendes Familien- und Gesellschaftsumfeld geben kann, mit allen Mitteln voranzutreiben.

Ich will ganz offen sein: Auch ich habe in meiner Jugend (naturgemäß) Kontakt zu "Killerspielen" gehabt, sehe mich jeden Tag, an dem ich dazu komme den Fernseher einzuschalten, mit einer aggressiven Medienkultur konfrontiert und werde selbst in den öffentlich rechtlichen Medien tagtäglich eindeutig davon überzeugt, dass nach einer solchen Tat eine ich möchte fast sagen Heroisierung des Täters die Folge ist. Nebenbei bin ich aktiver Sportschütze, habe Zugang zu scharfen Waffen und kann (auch auf Grund meiner zehnmonatigen Dienstzeit in der Bundeswehr) eine ausreichende Sachkunde nachweisen.

Zu keinem Zeitpunkt meines Lebens hatte oder habe ich allerdings das Bedürfnis eine solche Schreckenstat zu begehen. In einer Auseinandersetzung versuche ich stets mit Argumenten und nicht mit Gewalt zu überzeugen. Nicht einmal in meiner Phantasie könnte ich mir vorstellen was mich dazu treiben sollte das, was mich zum Menschen macht - nämlich die Fähigkeit zu denken - auszuschalten und auf eine so bestialische Weise zu agieren.

Nicht die Symptome machen diese Jugendlichen zu Amokläufern (ich persönlich bevorzuge den Begriff Killer, denn mit Amok hat eine geplante und angekündigte Bluttat nichts zu tun) sondern das Fehlen eines funktionierenden Umfeldes, das solche Tendenzen erkennt, und die fehlende Größe und Persönlichkeit über innere Verzweiflung mit anderen zu reden. In einer Zeit, in der Perspektivlosigkeit um sich greift und Krisen unser Land schütteln, kann es zur Verzweiflung einzelner Personen kommen - schlimm ist nur, wenn niemand da ist.

Die Funktion des Staates ist hier nicht eine, die durch immer noch mehr Verbote eine "Scheinprävention" betreibt, sondern eine, die wirklich präventiv tätig wird, an der Wurzel des Übels, an der Gesellschaft und dem sozialen Miteinander.

Zum Thema:

Ich hatte Sie nach Ihrem Standpunkt in der Waffenrechtsdebatte befragt. Ihre Antwort ist sachlich und zeugt von Rationalität in einer Zeit des Aktionismus.

Dennoch gebe ich zu bedenken, dass der Standpunkt Ihrer Partei, der in der Bundestagsdebatte vom 09.04.2009 von Herrn Reinhard Grindel vorgetragen wurde, für mich in manchen Punkten auch fragwürdig scheint.

Abholung von Waffen aus den Haushalten älterer Mitbürger wäre meiner Meinung nach sicherlich gut geeignet einige dieser Menschen zu animieren ihr irgendwann erworbenes, teilweise wertvolles Kulturgut und Sammlungsstück unwiederbringlich zu vernichten und das für einen Bruchteil dessen, was diese Stücke an Wert haben. Weder kann ich mir vorstellen, dass genau von diesen Waffen eine Bedrohung ausgeht, noch, dass diese Maßnahme zu einer Erhöhung der inneren / öffentlichen Sicherheit beiträgt und schon gar nicht, dass dadurch zukünftige Amokläufe verhindert werden.

Wohl aber kann ich mir vorstellen, dass auch dieser kleine Schritt zu einem kleinen Teil zur Entwaffnung des Volkes beitragen soll. Sollte dies das Anliegen von Herrn Grindel sein, könnte er fairerweise eine Formulierung verwenden, die nicht den jüngsten Amoklauf als Grund erscheinen lässt, sondern klar darlegt, dass der Bürger in diesem Punkt zu entmündigen ist und die Politik in diesem Punkt kein Vertrauen mehr in die Bevölkerung setzt.

Positiv zu bemerken ist, dass Herr Grindel, wie auch Sie, die Arbeit unserer Schützenvereine würdigen und einen (absurden) Vergleich mit kampfmäßigen Schießübungen gar nicht erst anstellen. Es ist wahr, dass ein Jugendlicher, der im Verein verantwortungsbewußt den Umgang mit einer Waffe (auch mit einer großkalibrigen) lernt, weniger Gefährdungspotential birgt, als ein Jugendlicher der mit seiner Softair auf gleichaltrige schießt.

Zur Arbeit der Verbände ist sicherlich zu sagen, dass diese wohl ihre Mitglieder vertreten, aber ich Sie bitte auch den "kleinen Mann" in Ihre Überlegungen mit einzubeziehen. Warum die Arbeit mit Großkaliber im Jugendschießsport plötzlich nicht mehr notwendig oder sozialadäquat ist leuchtet mir weder von Seiten Ihrer Partei noch von Seiten des DSB ein. Es ist de facto egal, welches Kaliber eingesetzt wird, Gefährdungspotential ist immer vorhanden. Es ist aber keineswegs egal, ob die Fülle der Disziplinen (und damit spreche ich auch die dynamischen Disziplinen IPSC und Westernschießen an) in den Verbänden erhalten bleibt, oder der Sport nach dem Gutdünken einiger Verbandsvorstände auf das, was denselben "notwendig" erscheint, reduziert wird.

Hierbei bitte ich Sie, sich und Ihre Kollegen sich vor Diskussionen zum Thema über die "dynamischen Disziplinen" zu informieren um eine klare Trennung vom kampf- oder gefechtsmäßigen Schießen herzustellen.

Ein letztes Anliegen zu Ihrem Brief und den Ausführungen von Herrn Grindel:

Die "biometrische" Sicherung von Waffen hat sicherlich ihren Charme, doch bitte ich Sie hier zu überlegen, wann zum letzten Mal Ihr PC abgestürzt ist bzw. ihr Handy geflackert hat. Eine biometrische Sicherung basiert auf Elektronik, ist sicherlich eine geeignete Alternative zur herkömmlichen Zahlenschloss- oder Schlüsselsicherung aber:

Diese elektronischen Sicherungen bieten auch keinen allumfassenden Schutz. Ich denke hier an einen findigen Computerkenner, der sicherlich einen Weg finden wird auch diese zu umgehen (die Fingerabdrücke Ihres Parteikollegen Herrn Dr. Schäuble gibt es schinbar sogar im Internet).

Der Effekt einer verpflichtenden Einführung dieser Systeme wird am deutlichsten im Geldbeutel der Legalwaffenbesitzer zu spüren sein. Selbiger Effekt, nur um ein Vielfaches konzentrierter tritt ebenfalls bei den Herstellern dieser Systeme ein (nur mit umgekehrtem Vorzeichen) - bitte prüfen Sie, wenn sie mit Kollegen oder Fachleuten (auch aus den Reihen der "Schützenlobby") über das Thema diskutieren, wer von diesen Firmen Aktien besitzt, bzw. in irgendeiner Form in diese Firmen involviert ist und ein Interesse persönlicher Art verfolgen könnte.

Eine Sicherung am (im) Lauf der Waffe wird ebenfalls angesprochen. Die Kostenthematik und die Frage wer davon letztlich profitiert sind dem oberen Absatz entnehmbar. Ein weiterer Punkt zum Thema Sicherheit dieser Systeme kann in einer der letzten Ausgaben einer bekannten Waffen-Fachzeitschrift entnommen werden, die auf Druck der Hersteller (der Systeme) vom Markt genommen werden musste noch bevor sie in den Handel kam. Sollten Sie nicht das Glück haben einen Abonnenten zu kennen lasse ich Ihnen den Artikel gerne zukommen.

Ich hoffe innigst, dass Sie in Ihrem politischen Umfeld mit der Vernunft und Sachlichkeit, die Sie in Ihrem Brief gezeigt haben, den einen oder anderen Kollegen der eingenen oder einer anderen Partei anstecken können - vielleicht am besten die selbsternannten "Fachleute" anderer Fraktionen, die sich durch die peinliche Polemik ihrer Äußerungen zum Thema wahrlich dem geplanten Vorgehen voranstellen und sich selbt entwaffnen (zumindest was die politische Wählbarkeit in den Augen reflektierter Bürger angeht).

Ich habe Ihr Schreiben und auch diesen Brief als positives Beispiel in der ganzen Debatte in ein Internetforum zum Thema Waffenrecht gepostet. Sollte ich eine Antwort erhalten, oder - was noch viel erfreulicher wäre - es wirklich zu einem persönlichen Gespräch zum Thema kommen, werde ich Ihren Standpunkt zur Sache weitergeben.

Freundliche Grüße aus Albstadt,

Michael K.

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