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J.D.

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Beiträge von J.D.

  1. Mittleres Erdbeben in Washington: Wäre das Inkrafttreten des Urteils nicht bis zu einer (hypothetischen) endgültigen Entscheidung durch den full court ausgesetzt, müßte seit heute nacht jeder unbescholtene Antragsteller in der U.S.-Hauptstadt einen Waffenschein ausgestellt bekommen (shall issue). Die Berufungsinstanz des Bundes für den District of Columbia erklärte in Grace et al. v. District of Columbia die Voraussetzung, ein "besonderes Bedürfnis" für die Erteilung einer Trageerlaubnis nachweisen zu müssen, für nichtig.

     

    Washington D.C. hat de facto noch strengere Waffengesetze als die BRD. Zwischen 1976 und 2008 herrschte ein kategorisches Kurzwaffenverbot. Seit 2008 (Heller-Jahr) dürfen immerhin nur solche Kurzwaffen erworben und besessen werden, die auf einer von der Obrigkeit zu führenden (und stetig zusammenzustreichenden) "Erlaubt-Liste" stehen (Vorbilder: Massachusetts, Kalifornien, teilweise Maryland). Anscheins-Halbautomaten, NFA items, "große" Magazine > 10 Schuß – Erwerb und Besitz sämtlichst verboten. Alle privat besessenen Waffen müssen beim Metropolitian Police Department registriert werden, vor jedem Erwerb eine separate Erlaubnis eingeholt werden. Zoning laws (baurechtliche Bestimmungen) sorgen dafür, daß innerhalb von D.C. sich keine Waffenhändler oder Büchsenmacher ansiedeln dürfen. Es gibt tatsächlich einen einzigen, der seine "Geschäftsräume" praktischerweise direkt im Gebäude der Metropolitan Police hat und für 125 US$ pro Vorgang den unter Polizeiaufsicht stattfindenden Transfer von zwangsläufig bei Händlern in Virginia, Maryland oder sonstwo georderter Ware abwickelt.

     

    Die Entscheidung des Drei-Richter-Panels war 2-1 gespalten. Abweichend von der Mehrheit schreibt Richterin Henderson in ihrem dissent, daß der "Kern" des zweiten Verfassungszusatzes sich nicht über die Grenzen der eigenen vier Wände erstrecken würde; "Keep and bear arms" bedeutete unter dieser Lesart dann vermutlich Milizdienst in Küche & Wohnzimmer (nicht mehr jedoch auf der Veranda oder im Garten, das ist zumindest die aktuelle Situation in Kalifornien).

     

    D.C. argumentierte nicht zuletzt, daß seine de facto-Führverbote verfassungskonform seien, weil solche Gesetze longstanding, d.h. seit langer Zeit und zu unterschiedlichen Epochen dem Charakter nach im englischen Gewohnheitsrecht verwurzelt seien. Dieser Punkt ist kritisch im Common Law; jedes Gesetz, das an diesem Test scheitert, hat *normalerweise* nur geringe Aussichten, die richterliche Normenkontrolle zu überleben. Dabei half es nicht, daß sich die nun unterlegene Hauptstadt auf einen eher obskuren Präzedenzfall aus dem England des 13. Jahrhunderts (!) stützte: Die sog. Southampton Statute of Arms (Statuta Armorum) erließ ca. 1260 König Heinrich III., und die bestimmte, daß Ritter bei Turnieren in Gegenwart des Monarchen nur bis zu drei Waffenknechte und außer einem Breitschwert keine sonstigen Waffen mitführen dürfen; desgleichen Edelmänner im Rang eines Baron oder Earl und deren männliche Stammhalter; wer dagegen verstößt, muß das Pferd, auf dem er an jenem Tag reitet, weggeben und mit bis zu einem Jahr Gefängnis rechnen (Gemeine mit bis zu sieben Jahren). Die Statuta Armorum ist nicht lang und leicht lesbar.

     

    Daß die Bundesgerichte diese Art von Argumenten nun zurückweisen, stimmt vorsichtig optimistisch; In Kalifornien, wo derzeit Nichols v. Brown vor der Berufungsinstanz des 9th Circuit anhängig ist, argumentiert der Sunshine State analog, um seine Führverbote aufrechtzuerhalten. Bereits in dem 2016er en banc-Urteil des seit Juni diesen Jahres endgültig toten Peruta-Prozesses meldete der beileibe dem zweiten Verfassungszusatz nicht freundlich zugetane Chief Judge Sidney Thomas während der mündlichen Verhandlung Zweifel an, was die Relevanz solcher königlichen Erlasse für die Präzedenzkette angeht.

     

    D.C. kann jetzt eine nochmalige en banc-Anhörung vor elf Richtern des D.C. Appeals Court beantragen oder aber gleich Verfassungsbeschwerde beim Supreme Court einlegen. Bis diese Fragen geklärt sind, bleiben die alten, nunmehr für ungültig erklärten Regelungen hilfsweise weiter in Kraft.

     

     

     

    Dec. by Fed. Appeals Court D.C. Circuit - Wrenn et al.pdf

  2. vor 1 Stunde schrieb TwoSix:

    Was ich im Alltag eh als verdecktes Tragen (CCW) machen würde und damit ein sichtbares Holster wegfällt.

     

    Wiewohl ich persönlich kein großer Freund des verdeckten Tragens bin, bin ich mir bewußt, daß das aus rein praktischen Gründen grundsätzlich in Erwägung gezogen werden muß. (Winter? Langer Mantel? Anzug?) Das sind aber Detailfragen, die in .de derzeit sowieso keine Rolle spielen - das offen zur Schau gestellte Holster in meiner Idee dient ja vorrangig dem Zweck, die Umwelt (hoffentlich) provokativ zum Innehalten und Wundern zu bewegen, nicht der Rücksichtnahme auf praktische oder taktische Umstände, wie sie beim *tatsächlichen* Führen einer Schußwaffen zu berücksichtigen wären.

  3. vor 20 Minuten schrieb TwoSix:

    "WOZU?"

     

    Eine sehr, sehr gute Frage, die aber in ein eigenes Thema gehörte. Nur soviel hier von meiner Seite dazu: Es gibt sehr gewichtige Argumente bezüglich historischer Gewohnheit sowie, ähem, Identität und grundlegender, schwerwiegender Souveränitätserwägungen*, die ein Tragen von Waffen durch "gemeine" Zivilisten ganz unabhängig von den üblichen Nützlichkeitserwägungen, Sicherheitsaspekten et cetera pp rechtfertigen.

     

    Die würden an *dieser* Stelle aber viel zu weit führen und bedürften außerdem einiger sehr professioneller rhetorisch-psychologischer Vorbehandlung/Umgestaltung in für unbedarfte Neulinge eingängige, leicht nachvollziehbare Ankerpunkte, bevor sie irgendeine Wirkung entfalten könnten.

     

     

    *Und nicht zuletzt auch einen Appell an die persönliche Ehre, für den viele auch heute noch empfänglich sein sollten.

  4. Zum letztmöglichen Zeitpunkt der Frist wurde in Sachen Kolbe v. Hogan beim Supreme Court nun schriftlich Beschwerde eingelegt. Ad rem: Der Bundesstaat Maryland verbietet Erwerb und Besitz der meisten halbautomatischen Zentralfeuergewehre sowie von Magazinen, die mehr als zehn Schuß Munition aufnehmen können. Stephen Kolbe ist ein von der örtlichen Niederlassung der NRA geführter Musterkläger dagegen.

     

    Die Eingabe ist mitsamt Anhängen stolze 325 Seiten stark. Quantität ist nicht zwangsläufig identisch mit Qualität, aber bislang hatte ich noch keine Gelegenheit, genauer drüberzuschauen. Nur soviel vorab: Im Jahr 2014 hat SCOTUS (wie hier schon mehrfach erwähnt) die Eröffnung eines Verfahrens im identisch konstruierten Friedman v. Highland Park begründungslos abgelehnt. Es hängt bei der Thematik "AR15 + Bananenmagazin" im Grunde ausschließlich an der politischen Balance der Verfassungsrichterschaft, nicht an der Finesse oder dem Format der vorgebrachten Argumente (jedes solche Verbot steht klar im direkten Widerspruch zu per D.C. v. Heller durch das oberste Verfassungsgericht selbst etablierter Präzedenz und sollte allein deswegen unter den Verfahrensregeln des Gerichts Gegenstand einer Verhandlung sein).

     

    Dessenungeachtet muß man anmerken, daß die NRA sich in den vergangenen 15 Jahren bei der Verteidigung des zweiten Verfassungszusatzes nicht gerade mit Ruhm bekleckert hat. Sollte die NRA-finanzierte anwaltliche Vertretung Stephen Kolbes in dieser Eingabe (schon wieder) das "Argument" vorbringen, daß Magazine zwar grundsätzlich allein aufgrund ihrer Kapazität verfassungskonform verboten werden können, allerdings lediglich zehn Schuß "zu wenig" seien (warum auch immer), würde eine (sehr hypothetische) mündliche Verhandlung das Äquivalent zum Polieren des Tafelsilbers an Bord der Titanic.

     

     

    Für die erste Oktoberwoche wurde der bereits im Frühling angenommene Fall Class v. United States zur mündlichen Verhandlung beim höchsten Gericht des Landes anberaumt. Es dreht sich hierbei zunchst nur indirekt um eine Waffenrechtsfrage. Class wurde dabei erwischt, wie er in Washington sein Auto auf dem Parkplatz einer Behörde abstellte und eine Pistole im Auto verwahrte (letzteres ist präsumptiv verboten, abhängig davon, ob der Parkplatz schon "in der Behörde" ist oder noch nicht). Das Vergehen gab er in der niederen Instanz zu, brachte jedoch hervor, daß das Gesetz, aufgrunddessen er verurteilt werden sollte, per 2nd Amendment verfassungswidrig sei. Der Richter erwiderte, daß er angesichts seines Schuldeingeständnisses sein Recht, die Verfassungsmäßigkeit der Statute anzufechten, verwirkt habe.

     

    Die vor SCOTUS zu verhandelnde Frage ist daher von strafprozeßrechtlicher Natur. Abhängig davon, wie die neun Richter urteilen, wird daraus aber ein Waffenrechtsfall bei einer möglichen Aufhebung des ursprünglichen Urteils und Rückverweisung der Streitsache an die niedere Instanz werden. Entscheiden sie tatsächlich, daß Class das Gesetz trotz vorherigem Geständnis aus verfassungsrechtlichen Bedenken attackieren kann, muß die Sache vor dem District Court neu aufgerollt und die waffenrechtlichen Aspekte explizit beurteilt werden.

  5. vor 3 Stunden schrieb Jacko5000:

    Aktuell ist ein Großteil der Schützenvereine sowie der Verbände eine Truppe mit wenig "Zugang" für Dritte.

     

    Genau so und nicht anders war das ja auch gedacht. Von Anfang (d.h. 22.09.1972) an.

     

    Die Vereins- und Verbandsschiene halte ich für tot. Mausetot. Des Gesetzgebers "Teile und Herrsche"-Strategie mit der Etablierung von dem BMI ergebenen Torwächtern hat exakt so wie ursprünglich beabsichtigt funktioniert. Hier drinnen wir Erhabenen mit der Erlaubnis - da draußen die Proles (und ich kann's kaum erwarten, die zu belehren und denen auf die Dreckspfoten zu hauen, ca.).

     

    Und auch innerhalb der Szene unter Erlaubnisinhabern, deren Kopf noch richtig herum angeschraubt ist (also mehr oder weniger hier), ist das Unterstützerpotential vollkommen ausgereizt. Mit sehr ernüchternden Resultaten.

     

    Die letzte verbliebene Wiese zum Abgrasen (und Aufruhr veranstalten!) sind die "Normies da draußen".

  6. vor 1 Stunde schrieb Jack Aubrey:

    Hier wird man aber nur die allermeisten Menschen ziemlich erschrecken und verstören.

     

    vor 1 Stunde schrieb Jack Aubrey:

    Solche Aktionen stoßen nur Leute vor den Kopf und sind provokativ und verstörend.

     

    Ich würde dieses Brainstorming hier nicht veranstalten, wenn ich damit rechnete, daß von der Außenwelt null Reaktion kommt. Allein diesen Faden werte ich aufgrund des zahlreichen Feedbacks schon mal als Erfolg. Warum sonst überhaupt irgendwas machen?

     

     

    vor einer Stunde schrieb EBR:

    Das LWB bestenfalls absonderlich sind und schlimmstenfalls ne Meise haben.

     

    Das ist mir viel zu blackpilled. Man kann ein leeres Holster auf *diese* und auf *jene* Weise tragen. Wir reden hier ja nicht darüber, autistische Kellerkinder mit schwerer Call of Duty-Schädigung in schlecht sitzenden Camo-Baggypants auf die Straße zu schicken.

  7. vor 38 Minuten schrieb Ch. aus S.:

     

    Singapur.

     

    Ein gutes Beispiel, wie ein friedlicher Vielvölkerstaat aussieht.

     

    Singapur ist zu 80-90% chinesisch. Ein astreiner Han-Ethnostaat.

     

    EDIT: 74-75% 

  8. Haargenau, @Shiva! Mein Vorschlag hat den geringsten finanziellen (ein Billigst-UTG-Schrottholster vom Amazonas reicht), administrativen (null) und organisatorischen (null; man muß nicht erst andere Leute treffen, Bierbänke organisieren oder irgendwas irgendwo anmelden) Aufwand und soll die Botschaft genau so 'rüberbringen, wie Du es beschrieben hast.

     

    Außerdem vermeidet man damit in der Folge allfällige Schwachsinnsauflagen, wie z.B. wirkungslose bis für den Träger gefährliche Gaspüster in Zukunft nur noch verdeckt zu tragen.

  9. Die Idee hatte ich vor einiger Zeit mal. Das Problem ist, daß unser Anliegen in Deutschland keine Sau interessiert und es daher wie üblich auch keine Nachahmer geben wird.

     

    Anyway. Das ganze geht so:

     

    Genervte Führwillige legen sich ein Holster zu, das sie bei ihren täglichen Verrichtungen beim Einkaufen, Spazierengehen, usw. von außen und anderen Leuten gut sichtbar tragen - LEER.

     

    Demonstrativ leere Holster im öffentlichen Straßenbild würden ziehen*, wenn genügend Leute das über lange Zeiträume machten. Und dieses "Wenn" ist im Falle Deutschlands ein "Falls".

     

    In Kalifornien läuft das z.B. so ab. Klein, aber mein.

     

     

    *"Ziehen" heißt hier: Andere fragen: "Was macht der, und warum?" Das wäre im desolaten status quo ein gigantischer Public-Relations-Gewinn.

     

     

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  10. vor einer Stunde schrieb Shiva:

    Honduras oder gewisse Städte in den USA die gleichzeitig ein restriktives Waffenrecht und eine hohe Kriminalitätsrate haben.

     

    Es ist nun einmal so, daß Du z.B. Deutschen, Franzosen, Japanern oder Norwegern auch Haubitzen, Claymores und 30mm-Maschinenkanonen privat überlassen kannst, und sie halten ihr friedfertiges, kriminalitätsarmes Land trotzdem weiter wie bisher am Laufen.

     

    Und dann gibt es da Gegenden auf der Erde, da könntest Du die Zahnstocher von Staats wegen alle einzeln beschlagnahmen, und Mord und Totschlag würden trotzdem um nicht ein Jota sinken.

  11. vor 7 Minuten schrieb Hunter375:

    In vielen Ländern aber auch deutlich schwerer... wir jammern hier auf hohem Niveau!

     

    Der Maßstab ist freilich nicht das erztotalitäre WaffG '72 ff., sondern die Zustände, wie sie bis 1918 in Deutschland geherrscht haben. Oder meinetwegen Wyoming, New Hampshire, etc. Schweiz wäre ebenfalls (begrenzt) ertragbar.

  12. Nach einem aufmerksameren Durchlesen der Cert Petition habe ich keine Hoffnung mehr für diesen Fall. Anwalt Halbrook erwähnt mit keiner einzigen Silbe den einen, einzigen Grund, aus dem der Supreme Court diesen Fall annehmen muß: Der Florida Supreme Court hat eine Entscheidung gefällt, die zweihundert Jahre in sämtlichen Gerichtsbezirken gepflegte Präzedenz einfach so über Nacht auf den Kopf stellt und sogar dem Urteil des en banc panel in Peruta v. San Diego widerspricht.

     

    Ein solcher Rule 10 Split ist der stärkste (und zumeist einzige) Grund, warum das Verfassungsgericht in einer an es gestellten Frage überhaupt tätig werden soll. Norman v. State ist geradezu ein Musterbeispiel dafür. SCOTUS ist laut eigenen Statuten ein "Court of Review" und gerade nicht ein "Court of First View".

     

    Leichtfertig vertan.

     

    EDIT: Die Dummheit, die Frage auf Handfeuerwaffen zu beschränken, hätte sogar beim rechten Flügel des Supreme Court wahrscheinlich in einem Fall für Probleme gesorgt. Es gibt starke Gründe, anzunehmen, daß Justice Samuel Alito nicht nur einfach (richtigerweise) der Ansicht ist, daß das verdeckte Tragen von Waffen nicht von der Verfassung geschützt ist, sondern daß schon das Führen aller prinzipiell verdeckt tragbaren Waffen im Zweifel verboten werden kann, egal ob sie sich nun tatsächlich offen oder verdeckt am Mann befinden. Mit einer Fragestellung, die sich ganz klassisch (wie in den meisten Präzedenzfällen zuvor auch) einfach nur auf "arms", also auch auf Langwaffen und blanke Waffen usw., gestützt hätte, wäre diese Sackgasse leicht zu vermeiden gewesen.

  13. Dale Lee Normans Anwalt reichte gestern Verfassungsbeschwerde beim Supreme Court ein.

     

    So weit, so gut. Der Haken ist, daß die Fragestellung (unnötigerweise) auf Faustfeuerwaffen beschränkt wurde. Trotz dringlichem Anraten von Unterstützern entschloß sich Normans anwaltliche Vertretung, Stephen Halbrook, Langwaffen außen vor zu lassen.

     

    Zwei der Richter vom linken Flügel, die in Sachen Heller anno 2008 einen dissent verfaßten, sind nämlich der Ansicht, daß es durchaus ein Recht auf das offene Tragen von Langwaffen unter dem zweiten Verfassungszusatz gäbe (und denken gleichzeitig, daß Faustfeuerwaffen verfassungskonform vollständig verboten werden können). Hier wäre die einmalige Möglichkeit gegeben gewesen, mit zwei "feindlichen" Stimmen zumindest die Annahme des Falls und damit eine mündliche Verhandlung zu ermöglichen.

     

    Da diese Chance vertan wurde, ist es aufgrund der durch Justice Kennedy bedingten (Nicht)Mehrheitsverhältnisse trotz wasserdichtem Rule 10 Split nun trotzdem möglich, daß es auch hier heißen wird: "Cert denied." Zumindest würde ich nicht die Luft anhalten, was die Chancen des Falls seit gestern anbelangt.

     

    Das weitere Procedere sieht nun wie folgt aus:

     

    1) Norman legt Verfassungsbeschwerde ein (erledigt)

    2.a) Der Bundesstaat Florida reicht ein Brief in Opposition (ca.: Gegendarstellung) ein.

     

    ODER

     

    2.b) Der Bundesstaat Florida teilt SCOTUS mit, kein Brief in Opposition einreichen zu wollen.

     

    Dann:

     

    2.b.1) SCOTUS ordnet dennoch an, daß Florida eine Gegendarstellung einreicht.

     

    ODER

     

    2.b.2) SCOTUS erzwingt keine Gegendarstellung durch Florida.

     

    2.b.1) hieße, daß ein gewisses Interesse unter den neun Verfassungsrichtern besteht und das Spiel weiterhin offen ist; Norman müßte dann eine Gegendarstellung zur Gegendarstellung einreichen (genau wie in Möglichkeit 2.a).

    2.b.2) hieße, daß der Fall mausetot ist (dead on arrival), warum auch immer.

     

    Sollte Norman tatsächlich abgewiesen werden, ist nur noch das "Schwergewicht" (was die juristische Finesse und das vorgetragene Argument angeht, nicht unbedingt die Publicity) unter den Führstreitigkeiten im Ring. In Nichols v. Brown aus Kalifornien warten wir derzeit auf eine Entscheidung der zuständigen Berufungsinstanz des Bundes. Die kann theoretisch schon morgen ein Urteil ohne mündliche Verhandlung fällen. Oder sie kann ein Jahr (oder länger) lang nichts tun, bevor zunächst eine mündliche Verhandlung anberaumt wird. Nach dieser kann ein weiteres Jahr (oder sogar mehr) ins Land gehen, bevor es zu einem Urteilsspruch kommt.

     

    Nach einem hypothetischen Scheitern von Norman v. Florida wären also im Extremfall ein bis zwei Jahre abzuwarten, bis der nächste Second Amendment-Fall reif für den Supreme Court wird.

     

     

     

    Dale L. Norman v. State of Florida cert petition.pdf

  14. Die Senatoren Mike Lee (Utah) und Mike Crapo (Idaho) haben einen mit SHARE konkurrierenden Gesetzesentwurf in der oberen Kammer des Kongreß' eingebracht. Der Silencers Helping Us Save Hearing Act (SHUSH) geht deutlich weiter und würde sämtliche Beschränkungen, wie sie NFA, SHARE und auch sämtliche der noch bestehenden Gesetze auf Bundesstaatenebene auferlegen, abschaffen. Schalldämpfer würden unter SHUSH wie gewöhnliche Accessoires behandelt. Ohne Registrierung, Besteuerung, NICS background check oder sonstiges. Die Erfolgsaussichten sind in diesem frühen Stadium nicht abzusehen.

     

    EDIT: Das Gesetz wurde im Repräsentantenhaus als H.R.3139 eingeführt.

     

    In spätestens fünf Tagen muß Dale Lee Norman sein schriftliches Ersuchen (petition for a writ of certiorari) um Anhörung vor dem Supreme Court eingereicht haben.

     

    In spätestens vierzehn Tagen muß Stephen Kolbe sein schriftliches Ersuchen um Anhörung vor dem Supreme Court eingereicht haben. In Kolbe v. Hogan ging oder geht es um Marylands Verbot von "merkmalsbehafteten" (soll heißen "anscheinsartigen"), halbautomatischen Zentralfeuergewehren ("Assault Weapons") sowie das Verbot von "großen" Magazinen, die mehr als zehn Schuß aufnehmen können. Nachdem ein geteiltes Drei-Richter-Panel im Berufungsverfahren diese Beschränkungen als verfassungswidrig eingestuft hatte (und nebenbei festgehalten hatte, daß in allen Fragen rund um den zweiten Verfassungszusatz mit strict scrutiny immer der strengstmögliche Standard richterlicher Normenkontrolle angewandt werden müsse), ging Maryland seinerseits nochmals vor einem en banc-Panel des 4. Bundesgerichtsbezirks in Berufung, welches ebenjenes Urteil wieder aufhob und Marylands Verbotsgesetz stehenließ. Kolbes letzte Chance auf recursus ist nun das Verfassungsgericht.

     

    Die Chancen für eine Annahme des Falls durch SCOTUS stehen extrem schlecht. In einem identischen Fall aus Michigan (Friedman v. Highland Park) wurde ein solches Ersuchen 2014 begründungslos abgelehnt, wenn auch A. Scalia und C. Thomas damals einen erbosten dissent verfaßten. Der Grund, so munkelt man, liegt in der Angst der beiden politischen Flügel darüber, mit wem der "Zentrist" A. Kennedy stimmen wird. Links (Sotomayor, Kagan, Ginsburg, Breyer) kann sich nicht darauf verlassen, daß er ihre Seite stützt, rechts (Thomas, Gorsuch, Alito, Roberts [?]) hat das gleiche Problem. In der Folge lehnen daher vermutlich mindestens sechs Richter aus lauter Vorsicht in solchen "heißen" Streitfragen die Annahme des Falls ab (es braucht die Stimmen von vieren, um einen Fall anzunehmen). Die seit geraumer Zeit eingefahrene, delikate 4-1-4-Balance kann nur durch die Nachbesetzung durch neue Richter in die eine oder andere Richtung aufgelöst werden. Kennedy hat sich zum Ende des 2017/2018er term zwar nicht in den Ruhestand verabschiedet, aber für 2018/2019 bislang nur einen einzigen clerk (Mitarbeiter) eingestellt (Verfassungsrichter im Ruhestand haben Anrecht auf einen Mitarbeiter, aktive auf vier). Eventuell zieht er sich also zum 30.06.2018 zurück. Ruth Bader Ginsburg ist 84 und gerüchteweise gesundheitlich schwer angeschlagen. In den kommenden zwei oder drei Jahren könnten also (mindestens) zwei Stühle neu besetzt werden.

     

    Übrigens: Wer sich wundert, warum an dieser Stelle zu 80% über Gerichtsverfahren und speziell diesen oder jenen Richter geschrieben wird: Die USA werden von Richtern beherrscht. Der erwähnte Anthony Kennedy als die ewige swing vote am Supreme Court, der mal mit dem linken, mal dem rechten Flügel stimmt, ist der mächtigste Mann Amerikas. Auch sonst hat die Judikative das Land in der Hand. De facto sind vom Kongreß verabschiedete Gesetze oder vom Präsidenten erlassene Anordnungen dieser Tage so lange (schwebend) nichtig, bis ein Richter dessen Rechtmäßigkeit bestätigt oder aber verneint hat. Die neuen Philosophenkönige kommen aus Harvard, Yale und Columbia. Der ganze Rest ist mehr oder weniger folkloristisches Beiwerk aus den Tagen der alten Republik. 

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